BE (German Edition)
jemals rauchten. Das Gebäude des Diogenes Verlag ist ein kleines Gebäude in der Innenstadt Zürichs. Bernd und Martin standen in der Auffahrt und zogen sich das Nikotin in die Lungen. Keel wartete oben in seinem Büro. Martin gab Bernd zu Bedenken: »Das ist irre viel Geld!« Bernd: »Ja, aber was soll ich machen? Das will er halt.« Martin: »Sollen wir verhandeln?« Bernd: »Nee, das ist mir zu gefährlich … weißt’ was, ich geh’ da jetzt rauf und sag, ich kauf das.« Martin bekam noch ein leises »Okay« zustande, dann gingen die beiden nach oben. Bernd war natürlich bewusst, dass er hier eine Entscheidung im Alleingang getroffen hatte, die zwar innerhalb der alten Strukturen der Constantin Film möglich gewesen wäre, aber bei einem börsennotierten Unternehmen wie die Constantin Film es nun war, vom Aufsichtsrat genehmigt werden musste. Aber auch dieses Risiko nahm Bernd in Kauf. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, dass der Aufsichtsrat seine Entscheidung blockieren würde. Bernd hatte immer noch das instinktive Gefühl, dass er die Constantin und die Constantin Bernd Eichinger war. Er sollte eines Besseren belehrt werden.
Für Bernd war der Erwerb der Verfilmungsrechte von »Das Parfum« eine einmalige Chance im Leben, die er nicht an sich vorbeiziehen lassen wollte. Was wäre die Alternative gewesen? Zu sagen: »Nee, ist mir zu teuer« und sich dann ein paar Jahre später an der Kinokasse Eintrittskarten zur Spielberg-Verfilmung des Stoffes zu kaufen, den er immer schon haben wollte? Und sich dann zu sagen: »Den Film hätte ich machen können, aber ich war zu feige?« In Bernds Lebensplan war das keine Option. Außerdem: Der Kaufpreis war hoch, aber es war ein Buy-out-Deal, das heißt Süskind hatte, wenn der Film ein Erfolg wurde – und was sollte es sonst werden? – kein Anrecht auf sogenannte »Back-End«-Prozente, also keine Gewinnbeteiligung. Der Roman war solch ein internationales Phänomen gewesen, ein Film hatte somit ein eingebautes Vermarktungspotenzial. Die wichtigste Problemstellung, die Bernd immer zu Anfang eines Projekts für sich lösen musste – Wie bringe ich diesen Film in die Kinos? Wie errege ich Aufmerksamkeit? Wie sorge ich dafür, dass all die Arbeit nicht umsonst war und der Film am Ende niemanden interessiert? –, war damit schon beantwortet. Trotzdem. So viel Geld war zuvor noch nie in der Filmgeschichte und ist auch – soweit bekannt – nie wieder vorab für einen Filmstoff bezahlt worden.
Dass es sich um eine nie zuvor da gewesene Summe handelte, wusste der Aufsichtsrat der Constantin Film natürlich auch. Deshalb bestand die berechtigte Frage, ob der Aufsichtsrat diesem Deal zustimmen würde. Aber über diese Brücke würde Bernd gehen, wenn sie vor ihm lag.
Aber irgendwann ließ es sich nicht länger aufschieben. Bernd musste in die Höhle des Löwen, also vor den Aufsichtsrat der Constantin Film und sich den »Parfum«-Deal absegnen lassen. Nun begann ein Krimi, den Bernd an das Ende seines Verstandes bringen, ihn seinen Posten als Vorstand der Constantin Film kosten sowie ein bleibendes Tinnitus-Rauschen in seinem Ohr auslösen sollte. Der Aufsichtsrat bestand damals, wie gesagt, zur Hälfte aus Bernd nahestehenden Leuten und zur anderen Hälfte aus Leuten aus dem Team Leo Kirchs.
Am 30. Oktober 2000 schrieb Bernd einen Brief an Leo Kirch. Darin berichtet Bernd, dass dem Diogenes Verlag mehrere Offerten für den Filmstoff »Das Parfum« vorlägen. Die Constantin habe nun die Möglichkeit, die Filmrechte für zehn Millionen Dollar zu erwerben. »Ich bin der Meinung, dass der Film, richtig gemacht, ein enormer Hit werden kann und dass sich das Projekt, inklusive der extrem hohen Rechtekosten, gut finanzieren lässt. Es wäre mal wieder ein richtiges Constantin-Projekt. Lieber Leo, bitte lass mich umgehend wissen, wie Du darüber denkst.« Zu diesem Zeitpunkt war das Verhältnis zwischen Bernd und Leo Kirch, das immer von einer Mischung aus Respekt, Faszination und Vorsicht gekennzeichnet war, deutlich abgekühlt. In seinem Geburtstagsgruß an Kirch, den Bernd nur zehn Tage zuvor geschrieben hatte, spricht er die Probleme der Geschäftsbeziehung an: »Ich weiß, Du bist besorgt, ich könnte mich in Amerika verrennen. Du denkst, dass die Amerikaner mir, wie man so sagt, »die Hosen ausziehen könnten« und dass ich halt mal ›kein Jud‹ bin und schon deswegen dort nicht landen könnte, etc. …« (Anm.: Bernd wollte damals eine strategische Allianz mit
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