BE (German Edition)
Günter Rohrbach, einer von Bernds wichtigsten Weggefährten und Beratern, hielt er eine Rede zum Thema »Nachts, wenn die Dämonen kommen«:
Dämonen haben ja auch immer etwas damit zu tun – es ist ein reziproker Wert – mit der Liebe zum Kino. Filmemachen ist gefährlich. Es ist nicht nur ein Spiel mit dem Feuer. Filmemachen ist ein Spiel mit der Phantasie. Und damit ist es auch eine Sache auf Leben und Tod. Der Boxoffice-Teufel, der reißt ja immer den Krokodilsrachen auf. Am Anfang hat er den Rachen immer zu, wenn wir uns in die Planung eines Films begeben. Und alle begeistert über den Film reden, hat das Krokodil noch den Rachen zu und lächelt nur. Und je weiter wir fortschreiten und je mehr die Zweifel uns bedrängen, desto größer macht das Krokodil den Rachen auf. Am größten macht das Krokodil den Rachen auf am Nachmittag, bevor der Film anläuft. Da ist der Rachen gaaanz groß offen. Und dann merken wir immer wieder zu unserem Erstaunen, obwohl wir es wissen müssten, dass dieser Augenblick auf jeden Fall kommt, dass wir auch noch in diesen Rachen hineingehen müssen. So, und jetzt ist die Frage: Macht das Krokodil den Rachen zu oder lässt es ihn offen und wir können unversehrt wieder herauskommen – aus diesem Rachen? Das ist, was ich nenne, eine Sache auf Leben und Tod. Ein nicht greifbarer Gedanke nimmt durch das Drehbuch, die Regie, die Darsteller, die Kamera, die Ausstattung etc. plötzlich mehr und mehr Gestalt an. Am Ende wird der Zuschauer im Kino in diese Vision einer Wirklichkeit miteinbezogen. Durch Ton, durch Licht, durch Schatten. Das ist die Magie des Kinos. Doch trotz aller möglichen Magie – nimmt der Film die Gestalt an, die wir wollen? Die unterschiedlichen Meinungen, Haltungen, Kämpfe, Zweifel, und nicht zuletzt das unberechenbare Wetter zerren an unseren Nerven, immer wieder. Wie dem Zauberlehrling wächst uns die Sache früher oder später über den Kopf. Die Frage ist nur: Wie weit wächst sie uns über den Kopf und in welchem Stadium wächst sie uns über den Kopf? Und das genau ist der Moment, wenn uns die Dämonen überfallen. Meistens gegen vier Uhr morgens (lacht). Die Dämonen des Zweifels – wird das Werk gelingen? – nagen an uns. Film ist ein großer Alchemiekasten ohne Gebrauchsanweisung. Wir haben ihn vor uns, wir können damit spielen. Aber wir wissen nicht genau, was wir machen. Wir, wenn man so will, schießen große Portionen an Kraft und Energie ins Halbdunkle. Und … wir haben alle Angst zu scheitern. Obwohl wir wissen, dass Angst kein guter Ratgeber ist. Filmemachen ist für mich die Auseinandersetzung mit meinen Dämonen. Aber auch mit meinen Engeln. Filmemachen ist mein Leben.
In Bernds Internat kam Gewalt nicht nur von oben, sondern die Jungen teilten sie auch untereinander täglich aus.
Bernd, der zwar groß war für sein Alter, dafür aber eine Trichterbrust hatte und erst spät als »Neuer« dazukam, hatte es nicht leicht, sich zu behaupten. Die Szene in »Die unendliche Geschichte«, in der der kleine Bastian von einer Gruppe stärkerer Jungs erniedrigt und gequält wird und schließlich die Flucht ergreift und sich in die Bücher und die Phantasie rettet – diese Szene hat viel mit Bernd zu tun. Und Bernd war es auch, der die Idee für den Schluss des Films hatte. Wenn Phantásien vom »Nichts« und die Kindliche Kaiserin vor dem Tod gerettet ist, suchten der Regisseur Wolfgang Petersen, Drehbuchautor Herman Weigel und Bernd noch nach einem »Rausschmeißer« – einer Szene, die das Publikum mit einem euphorischen Gefühl aus dem Kinosaal in das grelle Licht der Realität entlassen würde. Bernd, so Herman Weigel, schlug vor, dass Bastian seine früheren Peiniger auf dem Drachen verfolgen und in dieselbe Mülltonne jagen würde, in der er sich am Anfang des Films aus Angst vor ihnen versteckt hatte. Vergeltung als Euphorie. Die Peiniger müssen selbst erfahren, was Erniedrigung ist. Das war Bernds Happy End, und so endet auch »Die unendliche Geschichte«. Genau wie für Bastian war auch für Bernd die Phantasie das weite Land, in das seine Kinderseele floh.
Während seiner Zeit im Deggendorfer Internat entdeckte Bernd Marvel Comics und dabei insbesondere »The Fantastic Four« und später dann den »Silver Surfer«. Geschichten von Superhelden, bei denen das Gute das Böse bekämpft. Superhelden, die nicht nur Superkräfte haben und sich damit über die Realität hinwegsetzen können, sondern die auch Schwachstellen und wunde Punkte
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