Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
Vom Netzwerk:
Text innerhalb von zwei Abenden. Seine Zweifel an meinen Lateinkenntnissen, erklärte er mir später, rührten einfach daher, dass er von seiner eigenen Schulerfahrung ausging und der Tatsache, dass er noch 45 Jahre später frustriert darüber war, in der Schule nichts gelernt zu haben. Seine Lehrer waren nicht in der Lage, seine Begeisterung für Wissen anzuzapfen.
    »Ich habe mir alles, was ich weiß, später selbst angelesen. In der Schule hab ich überhaupt nichts gelernt. Da hab ich nur meine Zeit abgesessen. Die haben es tatsächlich geschafft, die natürliche Neugier, die man als Kind ja hat, abzutöten. Das hab ich dann auch in meiner Abiturrede gesagt. Dass ich es einen Skandal finde, dass das Bildungssystem einen nur abstumpft und niederreitet, anstatt einen zu ermutigen und zu fördern. Da saßen sie dann alle in der Aula und haben blöd aus der Wäsche geguckt!«
    Trotz seiner weniger als mittelprächtigen Noten begann Bernd Nachhilfeunterricht in Mathematik zu geben und sich damit ein sauberes Taschengeld zu verdienen.
    »Ich hab gemerkt, der Grund, warum die meisten Leute Probleme in Mathe hatten, war einfach der, dass sie die Grundrechenarten nicht beherrschten. Die kannten die einfachsten Regeln nicht und sind deswegen im Stoff immer weiter zurückgefallen. Die sind dann alle zu mir gekommen und haben sich so ganz grundsätzliche Sachen wie ›Multiplikation vor Addition‹ oder Bruchrechnung erklären lassen. Damit war ihnen schon geholfen. Es war wirklich einfach. Nur hat das sonst niemand erkannt.«
    Und Bernd entdeckte eine weitere Geldquelle: Er begann Gitarrenunterricht zu geben.
    Und zwar nicht nur an einzelne Personen, sondern an Gruppen, von denen jedes Mitglied pro Stunde fünf Mark zahlte. Innerhalb kürzester Zeit begann Bernd, jedenfalls für Schülerverhältnisse, im Geld zu schwimmen.
    Wofür Bernd dieses Geld ausgab? Zunächst einmal für Zigaretten. Bernd meinte, er habe wahrscheinlich schon im Alter von sieben Jahren seine erste Zigarette geraucht und sich seitdem zu Hause immer vom unerschöpflichen Vorrat seines kettenrauchenden Vaters bedient. Dass er nun im Internat war, bedeutete nicht, dass er plötzlich mit dem Rauchen aufhörte. Bis zum 9. Juli 2007 sollte Bernd – abgesehen von zwei kurzen Unterbrechungen – weiterrauchen. Und ja, wenn Bernds früher Tod etwas aussagt, dann sicherlich nicht, dass Rauchen zu den wirklich lebensverlängernden Maßnahmen gehört. Aber das soll jeder – mit Ausnahme von den Leuten, denen Bernd mehrmals ans Herz gelegt hat, mit dem Rauchen aufzuhören (ihr wisst, wer ihr seid!) – mit sich selbst ausmachen. Außer der Gewohnheit und dem Coolness-Faktor verloren die Zigaretten jedoch schon bald an Belang. Im Alter von dreizehn Jahren sollte Bernd ein neues Genussmittel für sich entdecken. Eines, das ihn für viele Jahrzehnte begleiten würde: bezahlter Sex.
    Bernd war zarte dreizehn Jahre alt, als er sich entschloss, eines schönen Sonntags den Gottesdienst zu schwänzen und sich auf den Weg zu einem Puff in Deggendorf zu machen. Sein erklärtes Ziel: die Entledigung seiner Jungfräulichkeit. Geld genug hatte er ja.
    »Das war so ein Haus mit zwei Stockwerken und langen Korridoren, von denen aus kleine Zimmer abführten. Erstaunlich groß für so eine Provinzstadt wie Deggendorf, aber das ist eben das katholische Bayern. In den Zimmern saßen die Nutten, und man konnte da vorbeigehen und sich aussuchen, mit welcher man Sex haben wollte. Als die Nutten hörten, dass ich noch nie zuvor Sex gehabt hatte, waren sie total fürsorglich und süß mit mir. Also, mein erstes Mal, das war ein wirklich gutes Erlebnis.«
    Bernds Affinität zum Rotlichtmilieu war geboren.
    Sex mit Liebe folgte erst drei Jahre später, als Bernd die spätere Mutter seiner Tochter Nina kennenlernen sollte: Sabine Eichinger. Ähnlich wie Bernd war sie die Tochter eines Allgemeinmediziners. Sie besuchte dieselbe Schule wie Bernd und war mit ihm in derselben Klasse. Dadurch, dass sie zufällig auch denselben Nachnamen trugen, wurden sie oft nebeneinandergesetzt. Es entwickelte sich eine Beziehung, die dreizehn Jahre andauern sollte.
    Ungefähr zu der Zeit, als Bernd mit Sabine zusammenkam, entstand ein Foto, das mit Absicht nicht in diesem Buch enthalten ist, denn Bernd hat es gehasst. Er hatte Passfotos von sich machen lassen und dabei auch gleich ein Porträtfoto von sich als Geschenk für seine Mutter.
    »Ich schau mir dieses Foto an und denke: was für ein Arsch!«, meinte

Weitere Kostenlose Bücher