BE (German Edition)
hatte zwar noch viele Schwächen und Lücken, aber es war offensichtlich, dass Bernd und Andrew ein Film vorschwebte, der dem Wahnhaften des Buchs wirkliche eine cineastische Entsprechung schenkte und dadurch auch eine experimentelle Kraft haben musste. Und darauf kam es für mich an. Als ich Bernd anrief und ihm sagte, dass ich das für einen sehr vielversprechenden Entwurf hielt, war er ganz glücklich. Da spürte ich zum ersten Mal auch seine ganze Unsicherheit. Offensichtlich war er in den Tagen, in denen ich mich nicht gemeldet hatte, sehr aufgeregt gewesen, was ich denn wohl sagen würde …
In Tom Tykwer hatte Bernd einen Regisseur gefunden, mit dem er reden konnte. Die Besprechungen mit anderen Regisseuren waren ja vor allem an der Kommunikation gescheitert. Mangelnde Kommunikation war etwas, was Bernd rasend machte. Wenn er das Gefühl bekam, dass ihm nicht richtig zugehört oder er trotz aller Bemühungen missverstanden wurde, bekam er Schwierigkeiten, sein Temperament unter Kontrolle zu behalten. Dies schloss übrigens auch Autoradios nicht aus. Bernd zertrümmerte zahlreiche, sehr teure Autoradios mit der bloßen Faust, weil sie nicht auf seine Kommunikationsversuche reagierten, er zertrümmerte also das Radio, weil das Radio – ebenso wie einige Menschen in seinem Umfeld – ihn nicht verstand. Bei Tom Tykwer war das anders. Tom ist so ein kluger und einfühlsamer Kommunikator, Bernd hatte endlich wieder das Gefühl, sich verstanden und gehört zu fühlen. Bernd hatte einen Freund fürs Leben gefunden. Seinen »Best Man«. Denn ja, Tom Tykwer sollte unser Trauzeuge werden.
Aber noch war es nicht so weit. Bernd wollte Tom Tykwer erst besser kennenlernen, bevor er sich darauf festlegte, mit ihm »Das Parfum« zu machen. Die beiden verabredeten, dass Tom zunächst einmal nur als Co-Drehbuchautor an der nächsten Drehbuchfassung mitarbeiten würde. Bernd wollten sich sicher sein, dass er und Tom mehr konnten, als phantastisch reden. Er wollte gewährleisten, dass sie beide tatsächlich denselben Film machen wollten.
Bernd hatte eine Sehnsucht nach einem sicheren Raum des Vertrauens. Nicht nur bei »Das Parfum«, sondern auch allgemein.
TT: Ja. Das haben wir ja fast alle. Ein Gegenüber zu finden, das uns so nimmt, wie wir sind. Jemanden, der versteht, wie man ist, und das schätzen und auch erweitern kann.
Und bevor Bernd den Schritt tat und jemanden in Bezug auf etwas, das ihm wirklich wichtig war, Vertrauen schenkte – Kleinigkeiten und Alltagsangelegenheiten hat er anderen Leuten ja oft sehr sorglos anvertraut –, stand er da und bebte und zitterte vor Aufregung.
TT: Er hatte Angst, dass es schiefgeht. Diese Angst hat ihn sehr angestrengt und dazu gebracht, sich außerhalb der großen Partnerschaften und künstlerischen oder geschäftlichen Bündnispartner ein System zu bauen, in dem viele schwächer waren als er. Damit er nicht auch dort noch ständig in einen Zweikampf ziehen musste. Das ist auch Teil seines Ängstlichkeitsprinzips gewesen.
Aber Typen wie Bernd finden Leute, mit denen sie auf Augenhöhe sind, auch nicht wie Sand am Meer …
TT: Das mag sein. Zumal Bernd im Gespräch ja auch sehr dominant war und obendrein nicht nur spezialisiert in seinem Feld. Bernd hatte ja einen riesigen Horizont und war sehr gebildet. In der Allgemeinbildung war er mir deutlich voraus. Es ist aber eben bezeichnend, dass Bernd sich für »Das Parfum« dann zwei Typen ausgesucht hat, die selbst völlig autark sind und keine Abhängigkeitsprobleme haben, nämlich Andrew Birkin und mich.
Bernd, Tom und Andrew setzten sich gemeinsam an das Drehbuch. Geschrieben wurde zunächst in Bernds Landhaus in der Nähe vom Starnberger See. Alle drei steckten gerade in einer Art Krise. Alle drei mussten sich berappeln. Alle drei waren auf sehr unterschiedliche Weise einsam und verlassen. Im Falle von Bernd sah das ja nicht nur so aus, dass er seine Firma verloren hatte, sondern seine Beziehung mit Corinna Harfouch war gefühltermaßen schon gescheitert und steckte in der Verarbeitungsphase. In diesem Geisteszustand arbeiteten also diese drei Männer ausgerechnet an einer Geschichte über einen autistischen Einzelgänger, der bis in den Irrsinn geritten ist von der Sehnsucht danach, gesehen, anerkannt und geliebt zu werden. Alle drei hatten die mentale Verabredung getroffen, einander gutzutun. Alle drei brauchten eine gemeinschaftliche Erfahrung, die sie beglückte und die ihnen erlaubte, das zu tun, was sie am
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