BE (German Edition)
liebsten taten: Geschichten erzählen.
Das Schreiben sah so aus: Die drei Männer saßen am Computer, Andrew in der Mitte mit der Kontrolle über die Tastatur. Der Tisch, an dem Bernd in diesem Haus immer schrieb, befand sich im Wohnzimmer, direkt an einem Fenster, von wo aus man die Pferde im Stall beobachten konnte. »Bernd hat manchmal total versonnen auf seine Pferde gestarrt, und ich dachte: Ist er jetzt unkonzentriert? Aber das war keine Unkonzentriertheit, sondern ein extremes Anwesend-Sein im Moment. Im nächsten Augenblick war er dann wieder ganz beim Drehbuch und hatte eine neue Idee«, so Tom Tykwer, der jeden Morgen Frühstück für alle machte.
Das Schreiben des Drehbuchs zog sich über mehr als ein Jahr hin. In dieser Zeit reisten die drei Männer auch nach Grasse, wo sie sich in einem Landhaus einmieteten, Parfum-Manufakturen besichtigten und sich über den Entstehungsprozess von Parfum unterrichten ließen. Andrew Birkin und Tom Tykwer besuchten Bernd auch in St. Petersburg, um dort mit ihm am Drehbuch zu arbeiten. Dabei kam es zu einem denkwürdigen Telefonat, von dem Bernd oft erzählte. Mittlerweile hatten er und Tom die Vereinbarung getroffen, dass Tom Regie führen würde. Innerhalb der Constantin Film machte diese Entscheidung einigen Leuten Angst. Warum musste Bernd sich unbedingt einen deutschen Arthouse-Regisseur holen, dessen letzte zwei Filme Box Office Flops gewesen waren? Außerdem war da noch das Thema »Final Cut« – wer würde das letzte Wort haben? Ein wildes Gezerre unter Agenten und Anwälten entstand. Wieder gab es einen »Conference Call« mit Bernd. Bernd stellte das Telefon auf Lautsprecher, sagte den Leuten am anderen Ende der Leitung aber nicht, dass Tom im Zimmer war und hören konnte, was geredet wurde. Bernd würde sich mit Tom Tykwer ins Unglück reiten, musste sich Tom da anhören. Der wolle ja unbedingt den »Final Cut«! Bernd tat dann so, als wäre Tom gerade ins Zimmer gekommen und fragte über Lautsprecher, ob Tom ein Problem damit habe, dass er gemeinsam mit Bernd über den »Final Cut« entscheiden sollte. Tom machte klar, dass er Bernd vertraue und damit überhaupt kein Problem habe. Damit war auch diese Angelegenheit aus der Welt geräumt.
Während der Dreharbeiten von »Der Untergang« in den Bavaria Studios in München schrieben Bernd, Andrew und Tom weiter in Bernds Landhaus. Da gleichzeitig der zweite Teil von »Resident Evil« gedreht wurde, sichtete Bernd jeden Abend nach dem Drehbuchschreiben noch die am Tag gedrehten Muster sowohl von »Resident Evil« als auch von »Der Untergang«. Auch wenn Bernd nicht jeden Tag am Set war, die Muster, also die Videoausspielungen vom Monitor, schaute er sich immer an. »Das waren meistens vier Stunden Videomaterial. Und ich hatte immer die Wahl, was zuerst geguckt wurde: Zombies oder Hitler«, so Tom Tykwer. Für Bernd war es extrem aufregend, mit Tom Muster zu schauen und diese gemeinsam zu analysieren. Schließlich war auch das ein Prozess, bei dem beide Filmemacher viel voneinander erfuhren und Vertrauen zueinander fanden. Der arme Oliver Hirschbiegel musste herhalten, damit Bernd und Tom Tykwer einander kennenlernten. Dazu muss man aber sagen, dass Oliver Hirschbiegel mit »Der Untergang« eine echte Tour de Force hinlegte und letztendlich in einer schwierigeren Situation steckte als Tom. Schließlich war er erst an Bord gekommen, als Bernd das Drehbuch schon fertig geschrieben hatte. Er befand sich also vielmehr in der Pflicht, Bernds Visionen auszuführen. Trotzdem hat Oliver Hirschbiegel es geschafft, »Der Untergang« zu seinem Film zu machen. Das hat Bernd immer betont.
Tom, lass uns über Bernds Kino sprechen – Bernd sah Kino als Manipulation. Erklär das doch noch mal.
TT: Das lustvoll Manipulative am Kino war Bernds Steckenpferd – die Idee, dass wir es genießen, von einer Erzählung, insbesondere von einem Film geknebelt, gefesselt und aufgewühlt zu werden. Das war seiner Ansicht nach der Grund, warum Kino so ein großer Erfolg ist. Auch weil es uns in Situationen bringt, die wir sonst nur in extrem intensiven Begegnungen hätten. Das Kino virtualisiert solche Begegnungen und begrenzt sie auf zwei Stunden, in denen wir sie uns abholen können, anstatt selbst erleben zu müssen. Deswegen macht Kino auch so süchtig, weil es so ein intensiver Zustand ist, der alles andere ausschaltet.
Ein Film durfte seinen Zuschauer nicht im Stich lassen!
TT: Genau. Einerseits durfte ein Drehbuch nicht
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