BE (German Edition)
zwischen ihm und Tom. Wenn ein großer Hollywoodstar sich für ein Filmprojekt interessiert, dann ist das ein Segen, aber auch ein Fluch. Es bedeutet nämlich, dass während der Hollywoodstar das Projekt abwägt – und dieses Abwägen dauert meistens sehr sehr lange und ist ein zäher Prozess – alle Unterhaltungen mit anderen möglichen Schauspielern auf Eis liegen. Dieses Phänomen wird auch der »Tom-Cruise-Fluch« genannt. Wenn Tom Cruise sein Interesse – und sei es auch noch so vage – für ein Drehbuch bekundet, wird es nämlich mit einem Mal für alle anderen »unberührbar« und kann über Jahre in der Entwicklungshölle landen. Leonardo DiCaprio hatte also all diese inspirierten Gespräche mit Tom Tykwer, der gleichzeitig Druck aus München bekam, endlich eine Besetzung für »Das Parfum« zu finden. Denn das ist die Aufgabe des Regisseurs: Der Regisseur muss die Stars für sich einnehmen und überzeugen, den Film mit ihm zu machen. Die Uhr tickte für Tom Tykwer.
Bernds Besetzungsliste mit Anmerkungen für die Rolle von Grenouille
Tom Tykwer erinnert sich an seine damalige Situation:
Wir waren darauf angewiesen, dass eine Entscheidung zur Besetzung gefällt wird. Deswegen musste ich Leonardo DiCaprio irgendwann mal sagen: »Wenn du dich jetzt nicht entscheiden kannst, dann muss ich dir jetzt einfach absagen!« Da sagte er: »Bis wann muss ich mich entscheiden?« Ich: »Bis morgen! Das ist jetzt unser viertes Treffen. Es gibt nichts mehr zu sagen. Du kennst das Drehbuch, du weißt, was los ist, du kennst mich gut genug. Wir verstehen uns super. Ich habe dir die Entwürfe gezeigt. Du kannst nichts mehr hinzulernen. Wenn du jetzt die anderen fünf Projekte, die du noch jonglierst, nicht absagen willst, dann muss ich dir halt absagen.« Darauf er: »Was, morgen!? Bist du wahnsinnig? Morgen geht doch nicht!« Er war total entsetzt. Ich war alleine in L. A. und habe dann Bernd abends angerufen und ihm erzählt: »Ich habe das jetzt so gesagt. Es hilft doch nichts. Was haben wir davon, wenn wir monatelang auf das ›Ja‹ von Herrn DiCaprio warten und nachher kriegen wir doch ein ›Nein‹ und der ganze Film fällt auseinander.«
Wie hat Bernd reagiert?
TT: Er meinte »Okay.« – Ich weiß, er hat geschluckt, denn das war schon eine riesige Entscheidung, die ich da ein bisschen für mich alleine getroffen hatte. Denn DiCaprio ziehen zu lassen, in einer Situation, in der wir wussten, er war wirklich verführt – wirklich interessiert. Wir hatten ja schon alle Agenten und Manager im Boot gehabt.
Und wie hat Leonardo DiCaprio reagiert, nachdem du ihm die Pistole auf die Brust gesetzt hattest?
TT: Am nächsten Tag haben wir telefoniert, und ich fragte ihn: »Was ist?« Seine Antwort war: »Naja … ich kann dir das jetzt nicht zusagen.« Daraufhin habe ich ihm geantwortet: »Wenn du mir jetzt nicht zusagst, dann sagst du mir damit ab.« Leos Antwort darauf war: »Naja, dann ist es so.« Und so war’s dann. Natürlich wussten wir alle, dass wir dem Film damit eine andere Wendung geben. Und heute bin ich mehr als froh darüber – mit Ben Whishaw haben wir ja schließlich am Ende die perfekte Besetzung für Grenouille gefunden.
Die Wendung, die für Bernd durch die Ereignisse in den USA entstand, war zunächst einmal ein riesiger Ärger. Mittlerweile war es schon Herbst 2004. »Der Untergang« war zwar ein massiver weltweiter Erfolg, aber er saß in der Rehaklinik. Dort bekam er plötzlich Besuch von dem Schweizer Geschäftsmann Martin Hellstern, ein langjähriger Geschäftspartner von Leo Kirch. Hellstern drängte Bernd, »Das Parfum« an einen U.S.-Filmproduzenten namens Scott Steindorffzu verschachern. Steindorff hatte 2000 Stonevillage Pictures gegründet mit dem Ziel, literarische Bestseller zu verfilmen, und hatte in diesem Zuge schon eins von Bernds Lieblingsbüchern, »Der menschliche Makel« von Philip Roth, verschandelt. Hellstern beließ es nicht dabei, Bernd in der Reha unter Druck zu setzen. Er sprengte auch eine Aufsichtsratssitzung der Constantin Film. Die Telefone begannen wie blöd zu klingeln. Plötzlich hieß es, der Aufsichtsrat der Constantin Film wolle, dass die Rechte zu »Das Parfum« an Stonevillage Pictures verkauft würden. Der vorgeschlagene Deal war völlig abstrus. Bernd verstand auch sechs Jahre später nicht, warum ein Mann, den er als Freund betrachtete, ihn dazu drängen wollte. Ja, Hellstern war Leo Kirchs Geschäftspartner, aber Leo Kirch war in der
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