BE (German Edition)
so zu Tode entwickelt und optimiert sein, dass es schwerfällig wird und nicht mehr atmen kann. Also, dass es nur noch ein Konstrukt ist und keine Geschichte mehr. Andererseits wollte Bernd nicht, dass der Film dem Zuschauer zu irgendeiner Zeit das Gefühl der Verlassenheit vermittelt. Der Zuschauer darf sich nicht einsam im Kino fühlen, sondern muss im Film aufgehoben, beschützt sein. Der Zuschauer darf auch mal vorauseilen und ein bisschen mehr wissen als zum Beispiel der Protagonist, aber der Kontakt zwischen Film und Zuschauer muss immer lebendig bleiben.
Was denkst du ist das Wichtigste, was du von Bernd gelernt hast?
TT: Nicht locker zu lassen, bis man wirklich sicher ist, dass das Drehbuch stimmt.
Wer ist Grenouille?
DA s Unterfangen »Parfum« war nun in voller Fahrt. Christine Rothe suchte schon für Bernd nach möglichen Drehorten und zog dabei auch Kroatien in Betracht. Bernd sah sich den Drehplan an und stellte fest, dass man in Kroatien sehr viel Zeit mit Fahrten von einem Drehort zum anderen vergeuden würde. Vor allem beim Drehen ist Zeit Geld. Kroatien wurde also wieder von der Liste gestrichen. Irgendwann machte Martin Moszkowicz den Vorschlag, in Barcelona zu drehen.
Tom Tykwer ging gemeinsam mit Martin Moszkowicz zwecks Finanzierung auf Tour durch die Hollywood Studios. Warner Bros. signalisierte großes Interesse. Bernd, der Meetings mit Hollywood Executives hasste, war froh, dass Martin und Tom ihm diese Arbeit abnahmen. Martin, der harte Verhandlungspartner, und Tom, der wortgewandte Charmeur – ein gutes Team: Warner Bros. biss an. Der Chef für die internationalen Geschäfte, Bernds alter Freund Richard Fox, sowie Produktionschef Jeff Robinov wollten »Das Parfum« finanzieren. Die Euphorie von allen Seiten war groß. »Ja, das machen wir!«, hieß es immer wieder. Bernd glaubte dem Zauber aber noch nicht. Er wusste: Das letzte Wort würde immer noch der damalige Chef des Studios haben – Alan Horn, der letzte große Studiomogul. Der letzte Studiochef, der die »Daumen oben«- oder »Daumen unten«-Entscheidungen wie ein Imperator in der Gladiatorenarena im Alleingang entschied. Mittlerweile werden auch in Hollywood Entscheidungen darüber, ob ein Filmprojekt mit einem gigantischen Budget grünes Licht bekommt, von Komitees entschieden. Die Zeit der Mogule ist vorbei. Aber bei »Das Parfum« hing noch alles an Alan Horn. Und Bernd wusste: Dieser Alan Horn hatte zwei junge Töchter. Bernd konnte sich nicht vorstellen, dass Horn einem Film über einen Serienmörder zustimmen würde, der Jungfrauen aufgrund ihres Duftes umbrachte. Dazu war Alan Horns Perspektive viel zu sehr mit der Perspektive der Figur identisch, die später von Alan Rickman gespielt werden sollte – also des Vaters, der vergeblich versucht, seine schöne Tochter Laura vor dem Mörder zu schützen. Bei einem großen Meeting mit allen Warner Bros. Executives und Tom Tykwer, sollte sich dann herausstellen, dass Bernd recht hatte: Man hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Bernd hörte per Konferenzschaltung von München aus zu und musste so miterleben, wie sich Alan Horn gegen alle seine Studio-Executives stellte und entschied, Warner Bros. würde »Das Parfum« nicht machen. Horn glaubte nicht, dass das Publikum einen Film über einen Serienmörder sehen wollte, der ein Parfum aus Jungfrauenduft herstellen will. Außerdem sei das kein Thema, was man bei Warner Bros. behandeln wolle. Die Executives saßen düpiert am Tisch, von Tom Tykwers Verfassung ganz zu schweigen. In München lehnte sich Bernd resigniert in seinem Schreibtischstuhl zurück. Ob er sich nun aufregte oder nicht, an Alan Horns Entscheidung würde das nichts ändern.
Gleichzeitig zu den Meetings mit den US-Studios machte Tom Tykwer sich auf die Suche nach Grenouille und traf sich mit allen männlichen Hollywoodstars im relevanten Alter. Tom wohnte monatelang im Chateau Marmont und hatte ein Meeting nach dem anderen. Mit Brad Pitt, der zwar interessiert, aber für die Rolle zu alt war, wurden sogar Special-Effects-Tests gemacht, um sein Gesicht digital zu verjüngen. Damals war die digitale Technik jedoch noch nicht so weit gereift, dass ein Film wie »Benjamin Button« möglich gewesen wäre – und schon gar nicht mit einem europäischen Budget. Jude Law hatte Tom schon in die Hand zugesagt, doch sein Agent machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Auch Leonardo DiCaprio war sehr interessiert an der Rolle. Es gab mehrere sehr inspirierte Treffen
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