BE (German Edition)
Bernd kopfschüttelnd, als wir das Foto bei seiner Mutter sahen. Es zeigt einen geschniegelt lächelnden Bernd, den Kopf schräg wie ein Vierziger-Jahre-UFA-Filmstar in die Kamera haltend und in der Hand – oh Graus – eine Pfeife. »Das ist mir so derart peinlich, dass ich damals dachte, Pfeife zu rauchen wäre cool. Ich meine, wie bescheuert kann man sein? Und ich war auch total opportunistisch. Ich hab mich nur so fotografieren lassen, weil ich wusste, dass ich meiner Mutter so gefalle und dass ich dann wieder irgendwas als Gegenleistung bekomme.« Bernd sagte auch, das Foto, das ihm so peinlich war, dass er es kaum anschauen konnte, sei ihm eine Lehre gewesen.
»Ich habe danach beschlossen, mich nie wieder nach außen hin zu verdrehen und mich auf eine bestimmte Weise darzustellen, nur weil ich meine, dass dieses Image anderen gefällt«, meinte Bernd, der es nicht übers Herz brachte, seiner Mutter zu sagen, wie schrecklich er das Foto fand – wusste er doch, wie sehr dieses Bild ihren Mädchenträumen von alten Filmstars entgegenkam. Wir haben viel über dieses Foto gesprochen, denn seine Mutter gab mir das gerahmte Foto als Geschenk – wirklich eine süße Geste, wusste ich doch, wie sehr sie ihren Sohn auf diesem Foto anhimmelte. Aber für Bernd brachte das Geschenk noch einmal seine peinliche Berührung in voller Wucht zurück. Aber wie gesagt, dieses Foto bedeutete eine Art Übergangsritus für Bernd und hatte großen Einfluss darauf, wie er sich später in der Öffentlichkeit geben sollte. Es war ihm weniger peinlich, sich daneben benommen zu haben, als mit dem Bewusstsein leben zu müssen, aus reinem Opportunismus nach der Pfeife einer anderen Person getanzt zu haben (pun intended).
Spätestens seit diesem Foto stand der Drang, er selbst zu sein, für Bernd an erster Stelle. Er wollte nicht so sein, wie andere ihn haben wollten, er wollte sich selbst als Individuum erfahren. Und er war wild entschlossen, sich den Erwartungen seiner Umwelt zu widersetzen. Das führte beispielsweise dazu, dass er in den Siebzigern, als alle Welt in Hippieklamotten herumlief und lange Haare hatte, Anzug, Krawatte und Kurzhaarschnitt trug. In den Achtzigern, als alle zu Yuppies mutierten und Nadelstreifen trugen, wechselte Bernd zu Jeans und Turnschuhen. Einerseits half ihm dieses extreme Bedürfnis nach Individualität bei der Vermarktung seiner Filme. Bernd Eichinger, das war ja letztendlich auch eine Marke – er war das Aushängeschild der Constantin Film, eine singuläre Erscheinung, die mit Emotionen und Erwartungen besetzt war. Dass diese öffentliche Person, die Bernd irgendwann geschaffen hatte, sich auch verselbstständigen konnte – und es bei einem Massenmedium wie Film durchaus Ambivalenzen geben konnte, wenn man sich auf keinen Fall der Masse unterordnen will –, ist eine andere Geschichte. Nur so viel schon jetzt: So sehr Bernd auch mit dem Selbstausdruck und der Kommunikation seiner Individualität beschäftigt war, auch er war schon als Kind und Jugendlicher vor der Erfahrung nicht gefeit, dass die Hölle nicht, wie Jean-Paul Sartre meinte, die anderen sind, sondern dass die Hölle vielmehr unser Bedürfnis nach den anderen ist.
Das Bedürfnis nach einer ganz bestimmten Person war Bernd jedoch alles andere als eine Höllenqual. Weil sein Bedürfnis nach seiner Freundin so groß war, kletterte er des Nachts aus dem Fenster des Schlafsaals, um sich mit ihr zu treffen. Und zwar indem er dreist durch das Kellerfenster in Sabines Elternhaus kletterte. Das ging eine ganze Weile gut, aber irgendwann flogen Bernds nächtliche Ausflüge auf. Der Direktor war alles andere als amüsiert, und Bernd flog in hohem Bogen aus dem Internat. Damit Bernd trotzdem die 10. Klasse abschließen konnte, wohnte er ein Jahr lang zur Untermiete bei einer Familie in Deggendorf und besuchte weiterhin die Schule. Es begann das laut Bernd beste Jahr seiner Schulzeit.
»Wenn dieses Jahr nicht gewesen wäre, würde ich mit echter Bitterkeit auf meine Jugend zurückblicken. Aber so … dieses Jahr hat alles wettgemacht«, erinnerte sich Bernd gerne, wenn wir beide – mal wieder – auf unsere Schulzeit schimpften.
Was Bernd in diesem Jahr tat? So wenig Schule und so viel Rock ’n’ Roll wie möglich. Gemeinsam mit seiner Band »The Fighters« begann Bernd, Live-Konzerte zu geben. Schon bald wurden »The Fighters« zu kleinen Stars, zu denen die Leute kamen, weil die Stimmung immer rockte.
Bernd beschrieb das so: »Wir haben
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