BE (German Edition)
langem Siechtum und vergeblichen Wiederbelebungsversuchen musste die Constantin Film schließlich am 24. Oktober 1977 Konkurs anmelden.
Mittlerweile war Ludwig Eckes aufgetaucht. Eckes übernahm die Constantin Film, natürlich mit dem Ziel, daraus mehr als nur ein teures Spielzeug für seinen Schwiegersohn zu machen. Schließlich war er ein erfolgreicher, profitorientierter Geschäftsmann. Genau wie Eckes selbst war die Constantin Film einmal Teil des deutschen Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit gewesen. Aus finanzrechtlichen Gründen musste die Constantin Film in die Neue Constantin Film umgetauft werden, wie sie das nächste Jahrzehnt auch heißen sollte. Die Filme fürs nächste Jahr – darunter auch der Jodler-Softporno »Auf der Alm da gibt’s koa Sünd’« – hatte Eckes aus der Insolvenzmasse gerettet. Es gab also ein Filmprogramm. Es konnte weitergehen. Bernd beobachtete dies von außen. Er war Mitglied des Krisenstabs gewesen, den die Gläubigerbanken einberufen hatten, als der Riese Constantin Film ins Straucheln geraten war. Im Zuge dieser Krisenstabssitzungen hatte er gesehen, welches Potenzial die Constantin Film hatte. Doch im Gegensatz zu Ludwig Eckes war Bernd nicht der Überzeugung, dass es einfach so »weitergehen« konnte. Es musste sich etwas gewaltig ändern. Hier der Anfang von Bernds radikalem Plan für den Wiederaufbau der Constantin Film, geschrieben wie gesagt im Hotel Splendid in Cannes:
14. Juni 1978
Sehr geehrter Herr Eckes,
bedingungslose Offenheit ist meist ein Zeichen von Schwäche, Naivität oder doch zumindest einer schwachen Verhandlungsposition. Es gibt aber auch Situationen, in denen sie den einzig konkreten, konstruktiven Ansatz bildet.
Ich habe genügend Respekt vor Ihrer kaufmännischen Versiertheit, als deren vornehmste Eigenschaft ich die Ambition, die kühle Berechnung sowie die Verschwiegenheit zähle, um darauf zu vertrauen, dass Sie meine Ausführungen und mein Konzept als Letzteres akzeptieren und begreifen.
I. Situationsanalyse
Was immer man Ihnen von der bestehenden Krise des deutschen Films erzählt haben mag, es ist eine unqualifizierte Fehleinschätzung der Situation. Der deutsche Film befindet sich in keiner Krise, die deutsche Filmwirtschaft hat vor ca. 15 Jahren aufgehört zu existieren.
Die Tatsache, dass pro Jahr noch eine Anzahl deutscher Filme hergestellt werden sowie die Tatsache, dass vereinzelte Projekte gewisse Erfolge an der Kasse und/oder bei der Kritik zeitigen können, darf nicht über diesen Sachverhalt hinwegtäuschen.
(…)
Der historische kreative Defekt
Die Basis jeder Industrie, speziell der Kinoindustrie, ist ihr kreatives Potenzial. Der erste wirklich entscheidende Einschnitt in die kontinuierliche Entwicklung des kreativen Potenzials waren sicherlich die Begleitumstände des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkrieges, speziell die damit zusammenhängende, auf allen künstlerischen Sektoren einsetzende Emigration. Noch bis heute ist der Generationsriss spürbar zwischen einer Generation deutschsprachiger Autoren und Regisseure wie Lubitsch, Wilder, Sirk, Strohheim, Murnau, Lang und Wyler sowie Reisch, Götz, Heinrich und Thomas Mann, Remarque, um nur einige zu nennen, und den Talenten unserer Zeit.
Mit der Auswanderung dieser Leute wurde eine Tradition unterbrochen und dem damaligen Nachwuchs die Möglichkeit genommen zu lernen, sich Dinge abzuschauen sowie im Vertrauen auf den Erfolg der vorangegangenen Generation aufzubauen.
(…)
Es wäre eine völlig falsche Interpretation anzunehmen, dass die jungen Autoren und Regisseure das Publikum nicht wollen. Tatsache ist, dass sie das Verhältnis zum Publikum mangels einer nicht vorhandenen Produktions- und Vertriebsindustrie nie gewinnen konnten.
Die Tatsache, dass praktisch alle potenziell begabten Autoren und Regisseure ihre Projekte mehr und mehr im weitesten Sinne aus einer gedanklichen Isolation geboren haben, hängt damit zusammen, dass sie an der Situation und am Publikum resignierten und das Einzelkämpferbewusstsein des nicht beachteten Künstlers sich als einziger Ausweg anbot.
Das Vertrauen zwischen Macher und Publikum ist sozusagen seit über einem Jahrzehnt wechselseitig gestört.
Immerhin erfährt der Autor und Regisseur unserer Tage ein gewisses Erfolgserlebnis durch die Prämierung seiner Projekte durch bestimmte Gremien sowie durch eine gewisse elitäre, relativ kunstbeflissene Zuschauerschicht und durch die Kritik.
Es
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