Beast
Morgen.
»Scheiße!« Ich schlage mit der Faust aufs Armaturenbrett. Was jetzt? Ich erwäge kurz, ein fremdes Auto zu knacken. Neben meinem Wagen parkt ein Vauxhall Cavalier. Ein Kinderspiel. Aber ich habe schon genug Probleme, ohne dass man mich auch noch wegen Autodiebstahl drankriegt. Außerdem bin ich dann womöglich den Führerschein los. Das kann ich mir nicht leisten. Und ich kann wohl kaum mit einem geklauten Auto bei den Reynolds vorfahren. Was soll ich denen erzählen?
Hat mir ein Kumpel geschenkt?
Ich fummle an der Motorhaube herum, was natürlich gar nichts nützt, und will eben Jimmy anrufen, als ich höre, wie hinter mir ein Laster hält.
Es ist der Schmied mit dem Nasenpiercing.
Er lehnt sich aus dem Fenster.
»Dich kenn ich doch«, sagt er.
»Arbeiten Sie hier?«, frage ich überflüssigerweise.
»Nein. Ich hol bloß ein paar Behälter zum Schweißen ab. Will er nicht?«
»Batterie leer.«
Eric winkt mich zu seinem Laster. »Ich hab ein Überbrückungskabel dabei. Ich muss es bloß finden.«
Ich steige in seinen Wagen und mache es mir neben seinem Hund bequem, während er überall nach dem Kabel kramt. In dem Laster sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa: Überall liegen Rechnungen, Quittungen, Zeitungen, Schokoladenpapier, Werkzeug und Metallteile herum.
|94| »Hier fehlt eine weibliche Hand«, meint Eric. »Ich komme nicht zum Aufräumen, hab zu viel zu tun.« Er kramt eine Tüte Nüsse aus dem Handschuhfach. »Willst du?« Ich nicke und er kippt mir eine Portion in die hohle Hand, den Rest schüttet er sich in den Mund.
»Und wie ist die Arbeit hier so?«, erkundigt er sich, als er runtergeschluckt hat. Hund legt mir die schmutzige Pfote aufs Knie.
»Beschissen.«
Zwischen den Sitzen klemmt ein riesiger Hammer. Ich ziehe ihn heraus und betrachte ihn. Damit könnte man jemandem mit einem einzigen Hieb den Schädel einschlagen.
»Interessierst du dich für Metallverarbeitung?«, fragt Eric.
»Weiß nicht.« Ich lege den Hammer wieder weg.
Eric erzählt mir von seiner Arbeit, dass er sich vergrößern und auf ein anderes Gelände umziehen will und dass er zurzeit vor allem Vorhangstangen für die Wohnzimmer reicher Leute schmiedet, wo er doch am liebsten auf dem Bau arbeitet. Er erzählt mir, er hätte gerade einen Riesenkrach mit seiner Freundin, aber wahrscheinlich würde sich alles wieder einrenken. Ich komme zu dem Schluss, dass er ein bisschen lasch ist, aber eigentlich ganz nett. Er hat einen ziemlich guten C D-Player und einen schauderhaften Musikgeschmack. Lauter Death Metal und Heavy Rock.
»Beschlagen Sie auch Pferde?«, frage ich.
»Das macht der Hufschmied. Ich mache Metallverarbeitung.«
|95| Als er das Kabel schließlich hinter der Sitzbank gefunden hat, überbrücken wir meine Batterie, und mein Auto springt wieder an. Jetzt, wo es einmal läuft, will ich nicht mehr anhalten, deshalb rufe ich nur noch »Danke!« aus dem Fenster.
Eric nickt. »Komm mich doch mal in der Werkstatt besuchen. Vielleicht findest du’s ja interessant.«
Ich gebe ordentlich Gas, damit die Kiste nicht wieder abkackt, und die Reifen drehen auf dem Asphalt durch.
Bei den Reynolds herrscht sonderbare Geschäftigkeit. Verity probiert Lichterketten durch und Jimmy beschriftet alle seine CDs mit seinem Namen – als ob die jemand haben wollte! Carol muss auch in der Nähe sein, denn ich kann sie riechen. Im Bad stehen lauter Körpersprays von ihr, mit bescheuerten Namen wie
Bergfeuer
und
Purpurtraum
. Eins riecht ekliger als das andere.
Ich mache mir einen überbackenen Toast, setze mich hin und schaue zu.
»Was ist denn los?«, frage ich Verity, die eine Lichterkette nach der anderen an- und ausknipst.
Sie sieht mich argwöhnisch an. »Hast du das wirklich vergessen? Heute Abend ist doch Carols Geburtstagsparty.«
Eine Party! Mir hat keiner was gesagt.
»Jimmy und ich gehen zum Quizabend in die Kneipe. Robert weigert sich mitzukommen.«
Kann ich mir denken. Carol hat jede Menge appetitlicher Freundinnen.
Ich entdecke Robert im Klo im Erdgeschoss, wo er gerade |96| versucht, sich das Ohr zu piercen. Das ganze Waschbecken ist blutverkleckert.
»Die Nadel geht nicht durch«, schnauft er. Er ist ein bisschen grün im Gesicht.
»Du musst das Ohrläppchen mit Eis betäuben.«
Robert sieht mich dankbar an. »Holst du mir welches?«
Ich drücke in der Küche Eiswürfel in einen Becher, als Carol reinschneit. Ein Augenlid ist silbern, das andere metallicgrün. Ich gebe es nur ungern zu,
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