Beast
Steve, hast du irgendeinen Kummer?
Ich:
Kann man wohl sagen. Erst habt ihr mich als kleines Kind von meiner Familie weggeholt und jetzt wollt ihr mich ohne einen Penny in der Tasche vor die Tür setzen.
Mindy:
Und wie geht es dir damit?
Ich:
Ihr blöden Scheißkerle habt mir mein Leben versaut.
Mindy:
Hast du noch etwas auf dem Herzen, Steve? Du weißt ja, dass du mir alles anvertrauen kannst.
Ich:
Na gut. Ich brauch eine Knarre, weil ich ein verdammtes Ungeheuer abknallen muss, bevor es so groß ist, dass es aus seinem Käfig ausbricht und jemanden frisst.
Stattdessen werde ich stumm dasitzen, wenn man mir erzählt, ich könnte ja einmal die Woche in die Berufsschule gehen und die anderen Tage als Maurer auf dem Bau arbeiten. Versteh mich nicht falsch – ich hab nichts gegen Maurer. Ein Maurer verdient gutes Geld. Ich will bloß selber |87| keiner sein. Mich hat noch nie jemand gefragt, ob ich vielleicht irgendeinen vernünftigen Schulabschluss machen will. Vielleicht sogar das Abi. Ich will ja gar nicht studieren, aber stell dir nur mal vor, ich würde so tun als ob? Die würden sich doch kaputtlachen!
»Eine Aufmunterung«, wiederholt Jimmy. »Mal sehen, ob ich fürs Wochenende was arrangieren kann. Wie wär’s mit Gokart fahren oder einer Runde Minigolf?«
»Nein danke, Jimmy. Für Familienausflüge bin ich ein bisschen zu alt.«
Wozu soll ich Gokart fahren, wo ich mit geklauten Autos durch die Gegend gondle, seit ich acht bin?
Draußen fährt ein Laster vor und Jimmy geht raus.
Ich bin erlöst. Das ganze Gerede über Aufmunterungen macht mich stinkig. Soll ich wie ein unbeschwerter Halbwüchsiger rumhüpfen, wo ich demnächst praktisch obdachlos bin? Haben die noch alle Tassen im Schrank?
Ich schaue aus dem Fenster. Jimmy unterhält sich mit dem Fahrer.
Ich lese die Aufschrift auf dem Pritschenwagen.
ERIC WINSTANLEY – SCHMIED
Jimmy und Verity haben davon gesprochen, dass irgendwer einen Zaun anbringen soll. Wahrscheinlich, um Abschaum wie mich fernzuhalten. Auf dem Beifahrersitz hockt ein Hund, ein braunweißer Spaniel.
Wie es Malackie wohl geht? Hoffentlich vergisst mein Vater nicht, ihn zu füttern. Wenigstens kann ich ihn dort wieder abholen, wenn ich so weit bin. Wenn ich weiß, was ich mache.
Ich gehe raus, eine rauchen. Der Typ, mit dem Jimmy |88| spricht, ist ungefähr dreißig und sieht ungepflegt aus. Er hat noch kürzere Haare als ich und einen Nasenring. Arme Sau. Stell dir vor, du heißt Eric! Sein Hund streckt den Kopf aus dem Fenster und ich gehe um den Laster herum, um mit ihm zu reden. Er hat Schielaugen und beschnüffelt meine Hand. »Der beißt nicht«, ruft der Typ. »Hat keine Zähne mehr. Er frisst Steine.«
»Wie heißt er denn?«
»Ich nenn ihn einfach Hund. Dann gibt’s keine Missverständnisse.«
Was soll man davon halten? Andererseits ist es dem Hund wahrscheinlich egal.
»Hallo, Hund«, sage ich und kraule ihn hinterm Ohr.
Als der Schmied wieder weg ist, kommt Jimmy zu mir.
»Tut mir echt leid mit deinem Hund. Aber ich glaube nicht, dass es gut gegangen wäre.«
»Schon okay.«
|89| Neun
Carol kriegt einen Motorroller zum Geburtstag, eine echt coole Vespa, total scharf. Rate mal, welche Farbe das Teil hat. Richtig – rosa! Ich habe zum sechzehnten Geburtstag von Jimmy und Verity eine X-Box und Klamottengutscheine für
Top Man
bekommen.
Top Man!
Also ehrlich!
Carol fährt in der Einfahrt hin und her, kreischt laut und zieht eine Show ab. Mich und Robert lässt sie natürlich nicht fahren.
Ehe ich zur Arbeit düse, schaue ich mir das Teil näher an. Ich streiche über den weißen Ledersattel und spiele am Tacho herum.
Sofort kommt Carol angerannt. »Wehe, du klaust ihn. Ich weiß, dass du das vorhast.«
»Gute Idee.«
Sie stemmt die Hände in die Hüften. »Wenn du ihn noch ein Mal anfasst, bring ich dich um!«
Da kann ich natürlich nicht widerstehen. Ich packe den Gasgriff und drehe dran. »Brumm, brumm«, mache ich. Ich weiß, dass es kindisch ist, aber ich kann einfach nicht anders.
»Sehr witzig«, faucht sie. »Ich mein’s ernst. Ich weiß, dass du klaust wie ein Rabe. Wahrscheinlich hast du längst deine Kumpels angerufen, dass du was zu verticken hast.«
|90| Ich gehe zu meinem Auto.
»Alles Gute zum Geburtstag, Schwesterlein«, sage ich, bloß um sie zu ärgern.
»Ich bin nicht deine Schwester!«
Ich fahre los, brause haarscharf an ihr vorbei und freue mich über ihr erschrockenes Gesicht, bevor ich auf die Straße
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