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Beast

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Titel: Beast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
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Wind, aber es ist mild und hat aufgehört zu nieseln. Als Eric das Loch im Zaun aufhält, spüre ich, dass die Luft so warm und feucht ist wie letztes Mal, als ich hier war, und ich bin froh, dass der Winter fast um ist.
    Der See ist grau und schimmert eigenartig. Ich traue mich nicht in die Nähe. Ich höre deutlich, wie Eric mit Carol spricht, obwohl sie ein ganzes Stück weit weg sind und am Käfig herumhantieren. Die Bäume am Ufer sind schwarz. Ich mache mir Sorgen, dass das Wasser vielleicht zu kalt ist und er deshalb nicht im See, sondern an Land auf die Jagd gegangen ist. Ich habe in Erics Werkstatt einen spitzen Metallpflock eingesteckt. Das Ding ist schwer, aber ich traue mich nicht, es wegzulegen. Der kleinste Laut lässt mich aufhorchen. Es kommt mir vor, als könnte ich jedes Geräusch deuten. Das Platschen stammt von einer springenden Forelle. Das leise Schaben von einer Kuh, die sich am Zaun scheuert. Das Krokodil würde ich sofort heraushören. Ich weiß, wie es klingt, wenn sein Schwanz über den Boden schleift. Ich würde |227| sein dumpfes Knurren erkennen. Ich weiß, wie er schnauft. Ich spüre ihn schon von Weitem. Noch mal treibt er mich nicht in die Enge. Es kommt mir vor, als hätte ich zwei Paar Augen und vier Ohren. Ich sehe alles. Mein Kopf bewegt sich flink wie ein Insekt. Ich habe sogar einen siebten Sinn. Mit Sterben und Gott kenne ich mich nicht aus, aber wenn es überhaupt so was gibt, dann ist Selby jetzt bei mir. Er macht mir Mut durchzuhalten. Er passt auf mich auf.

    Wir gehen auf Nummer sicher. Als die Falle aufgestellt, das Fleisch ausgepackt und ausgelegt, das Seil befestigt und das Ganze halb ins Wasser geschoben ist, klettern wir alle drei auf den Baum. Carol und ich machen es uns bequem und setzen uns wieder nebeneinander, nur dass wir diesmal Jacken, Decken und Verpflegung dabeihaben. Eric will erst nicht recht und klettert schließlich als Letzter hoch. Er ist irgendwie schräg drauf. Er reißt Witze, aber gleichzeitig scheint er sauer auf uns zu sein.
    »Schade, dass wir kein Kartenspiel eingesteckt haben, sonst könnten wir jetzt eine Runde Schnapp spielen.«
    Er hockt auf dem untersten Ast. Wenn das Krokodil es darauf anlegt, ist er eine leichte Beute. Ich warne ihn, aber er meint, das geht schon in Ordnung. Ich schärfe ihm ein, dass er nur flüstern darf, und er lacht irgendwie künstlich, ist dann aber trotzdem still.
    Nach ungefähr einer halben Stunde meint er, er müsste was im Laster nachsehen, und lässt sich vom Baum gleiten. Ich sehe ihm nach und mein Magen fühlt sich an wie ein Bleiklumpen. Ich will nicht schuld sein, dass er stirbt. |228| Ich horche, ob es leise faucht, horche, ob Eric schreit, als Carol sagt: »Robert macht Terror, weil du weggehst. Er ist stinksauer deswegen.«
    Vom See ist nichts zu hören und Erics Schritte sind verklungen. Alle Vögel und anderen Tiere sind stumm.
    »Er ist beim Klebstoffschnüffeln gestorben. Selby meine ich.«
    Ich spüre, wie sie zusammenfährt.
    »Der blöde Hund. Er hatte schon längst damit aufgehört. Herrgott noch mal, er war siebzehn. Da gibt’s echt coolere Methoden, sich die Birne zuzuknallen. Aber man hat ihn tot auf dem Parkplatz vor dem Schwimmbad gefunden. Auf der Nase und um den Mund hatte er getrockneten Kleber und er hatte die Tüte noch in der Hand. Erst ist keiner drauf gekommen, dass er daran gestorben ist. Andere machen so was andauernd und es geht nur ganz selten so brutal schief. Vielleicht läuft man davon vors Auto oder so, aber man stirbt nicht an dem Zeug selber.«
    Ich erzähle weiter. Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen. Ich erzähle Carol, dass meine Mum nach Selbys Tod wieder krank wurde. Es ging ihr so dreckig, dass sie uns nicht mal an Weihnachten nehmen wollte.
    Ich erzähle nicht, dass neben Selby auch noch lauter Benzinbehälter lagen. Ich erwähne nicht, dass sein Gesicht und sein Mantel voller Kotze waren. Ich erwähne nicht, dass er in einer Pissepfütze lag. Ich erwähne nicht, dass der Sanitäter Selby erst ein Taschentuch über Mund und Nase legte, ehe er mit der Mund-zu-Mund-Beatmung anfing, und seinem Kumpel zuraunte, sonst würde |229| ihm schlecht – und sowieso sei es um den Typen nicht schade.
    Das erzähle ich Carol alles nicht, damit sie nicht fragt, woher ich das eigentlich weiß.

    Es wird immer später. Eric klettert jede Stunde einen Ast höher. Er ist zwar immer noch skeptisch, aber hier draußen kann man sich leicht alles Mögliche einbilden. Es

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