Beast
hinüber.
Etwas Dunkles schiebt sich aus dem Wasser.
Ein Tier kriecht und gleitet auf allen vieren durch den Morast auf den Käfig zu.
|233| Vierundzwanzig
Mein Arm tut weh und ich merke, dass Carol mich zwickt. Ich schiebe ihre Hand weg und binde ganz, ganz vorsichtig das Seil los, das die Käfigtür aufhält. Dabei lasse ich das Ufer nicht aus den Augen.
Eric flucht leise.
Ich muss das Seil ordentlich gespannt halten, sonst ruckelt die Metallplatte und verscheucht meinen Kleinen. Zugleich muss ich mich drauf einstellen, die Klappe sofort zufallen zu lassen, wenn er drin ist. Eric hat unten am Rahmen zwei Bügel angebracht, damit die Klappe nicht mehr aufgeht, wenn sie erst mal unten ist.
Vielleicht liegt es am schwachen Licht, aber ich könnte wetten, dass das Krokodil müde ist. Es bewegt sich träge und zögerlich und scheint die Beine nachzuziehen. Carol hat mich wieder am Arm gepackt. Ich kann kaum atmen. Bestimmt geht etwas schief. Bestimmt riecht er Lunte und schwimmt weg. Oder er wittert mich und kommt zum Baum gekrochen, weil er Appetit auf was Frisches hat. Ich spüre einen Hustenreiz und kämpfe dagegen an, bis mir die Augen tränen.
Vor dem Eingang der Falle macht er halt. Wir hören ihn schnüffeln. Er weiß, dass da Fleisch drin ist.
Geh rein, Kleiner.
|234| Er ist hungrig und er friert. Er muss fressen, sonst stirbt er.
Ein lautes Rasseln, dann stürzt er los. Ohne recht zu wissen, was ich tue, rucke ich am Seil, und die Klappe donnert runter. Halb klettere, halb falle ich vom Baum und renne hin.
»Warte, Stephen!«, ruft Eric mir nach, aber ich höre nicht auf ihn. Hab ich ihn endlich? Hab ich ihn? Hab ich ihn erwischt, Selby? Klar hab ich ihn! Was sonst? Ich schlittere durch den Matsch und bremse jäh.
Brüllend und tobend wirft er sich gegen die Metallplatten. Ich weiche zurück. Sein Panzer prallt von den Platten ab, sie vibrieren dröhnend. Sie können ihm nicht lange standhalten. Er wirft sich abwechselnd gegen die Vorder- und die Rückwand. Dann überläuft es mich eiskalt.
Sein Schwanz steckt noch in der Tür.
Die Klappe ist nicht richtig zu. Wenn er sich im richtigen Winkel nach hinten schiebt, kann er raus.
Was ich dann mache, kriege ich gar nicht richtig mit, aber so muss es sein, wenn man sich von einer Brücke stürzt. Es überkommt mich einfach und ich laufe weiter.
»Hier bin ich!«, rufe ich. »Komm doch und friss mich!«
Das Tier stürzt vor, donnert mit der Schnauze an die Rückwand und der Schwanz ist drin. Ich flitze um den Käfig herum, knalle die Klappe zu und höre die beiden Bügel einrasten. Er sitzt in der Falle.
Jetzt dreht er endgültig durch, wirft sich hin und her, schnappt nach dem Gitter, will sich darin verbeißen. Keine Spur von Trägheit mehr. Ich trete zurück und schaue gebannt |235| zu. Ich will weglaufen, aber ich stehe da wie angewurzelt. Zwar sagt mir mein Verstand, dass es nicht mehr nötig ist, aber mein Instinkt schickt mich wieder auf den Baum oder zu Erics Laster, mit dem ich davonbrausen könnte.
Der Himmel hat aufgeklart, ich kann ihn jetzt besser erkennen. Er beruhigt sich und glotzt mich an, schnauft und krallt die Zehen in den Käfigboden. Aus seinem Unterkiefer ragt ein langer Zahn. Ich muss ihn immerzu ansehen. Ich stehe meinem schlimmsten Albtraum gegenüber.
»Geh weg da«, höre ich Eric wie von ganz weit weg rufen.
Das Krokodil hört auf zu schnaufen und liegt still. Wir beäugen einander. Mein Kleiner ist reglos wie ein Fossil. Er könnte genauso gut ein Steinhaufen sein. Nur die Kehle hebt und senkt sich und verrät mir, dass er sehr wohl weiß, dass ich da bin.
Keine Ahnung, wie lange wir einander so anschauen. Hört sich fast an, als wäre ich in ihn verliebt, was? Im Gegenteil. Ich hasse ihn. Glaube ich jedenfalls. Es wird heller und ich kann seine Zeichnung besser erkennen, die schwarzgrauen Flecken und die dicken Wülste auf seiner Schnauze. Riechen kann ich ihn auch. Er riecht nach Dreckwasser und Blut.
Ich höre jemanden kommen, erst Eric, dann Carol. Eric sieht total entgeistert aus. Er macht Riesenaugen wie jemand auf Ecstasy. Carol hält Abstand. Sie ist auf dem Sprung.
»Hat die Klappe funktioniert?«, fragt Eric leise. Ich nicke |236| und wir machen alle drei einen Satz nach hinten, als das Tier laut schnauft. Es hört sich an, wie wenn das Müllauto unterm Fenster hält.
Wir beobachten ihn eine ganze Weile und trauen uns nur allmählich näher heran.
»Mann, ist der riesig!«, sagt Eric. Ein Schwarm
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