Beast
Wildgänse fliegt über unsere Köpfe und der Blick des Krokodils flackert. Er hat sein Fleisch noch nicht angerührt, sondern bloß alles verstreut. Ein Kotelett ist auf seiner Schulter gelandet und seine Vorderfüße ruhen auf einem Berg Würste.
Eigentlich lustig, aber keiner lacht.
»Fünf Uhr«, stellt Eric fest. »Auf geht’s.«
Plötzlich wird mir ganz schwach. Ich kann nur noch gehorchen. Ich schleppe zwar die Bretter zum See, hole die Winde vom Laster und montiere sie an den Baum, aber Eric muss das Seil an der Falle festzurren und die Bretter nebeneinander vor den Käfig legen. Er gibt mir ein Zeichen und ich kurble drauflos. Er hat den Käfig selbst gebaut, da wird er ja wissen, was das Ding aushält. Ich dagegen weiß, wie stark mein Kleiner ist, und bin auf der Hut. Momentan ist er ruhig, obwohl er mit dem Käfig auf die Bretter gezogen wird. Er scharrt ein bisschen mit den Füßen, sonst liegt er still.
Im Fernsehen habe ich gesehen, dass man gefangenen Krokodilen das Maul zubindet. Als ich das Eric vorschlage, ruft er zurück, seinetwegen kann ich’s ruhig machen, er hindert mich nicht dran.
Der Käfig bewegt sich Stück für Stück vorwärts, gleitet über die Bretter. Ich brauche nur zu kurbeln, Eric holt die |237| Bretter von hinten weg und legt sie vorn wieder hin. Es geht nur langsam voran und ich komme ins Schwitzen. Ich kriege es mit der Angst zu tun, dass wir uns zu viel vorgenommen haben.
Als wir ihn vom Ufer auf die Wiese schleifen, fängt er an zu fauchen.
»Achtung!«, rufe ich. »Er hat irgendwas vor!«
»Mach weiter«, erwidert Eric mit zusammengebissenen Zähnen. Er schnauft noch lauter als das Krokodil, schiebt und zieht, was das Zeug hält. Carol hat sich offenbar auf die Vorteile des Mädchenseins besonnen und bleibt in sicherer Entfernung. Ich hätte ihr mehr Mumm zugetraut, aber ich kann es ihr nicht verdenken. Das hier ist mein Problem, nicht ihres.
Dann brüllt das Krokodil los und ich bekomme so einen Schreck, dass ich einen mädchenhaft spitzen Schrei ausstoße. In jeder anderen Situation wäre mir das peinlich, jetzt aber nicht. Er verbeißt sich in den Maschendraht und will sich um sich selber drehen wie bei der Todesrolle.
»Weg da!«, rufe ich, aber Eric hat schon den Rückzug angetreten. Mein Kleiner peitscht mit dem Schwanz, haut ihn donnernd ans Gitter. Der Lärm hallt über den See. Es ist so laut, dass ich jeden Augenblick mit dem Parkplatzaufseher rechne.
Der Käfig wackelt heftig. Ich ziehe mich eilig zurück und hoffe verzweifelt, dass die Bügel halten. Der Käfig kippt von den Brettern und kracht ins Gras, das Krokodil landet auf dem Rücken und wendet uns einen Augenblick den hellen Bauch zu, bevor es sich wieder umdreht. Wenn |238| ich jetzt ein Messer oder einen Speer hätte, wüsste ich, wo ich reinsteche. Offenbar ist ihm die Luft weggeblieben, denn er liegt wieder ganz still. Eric ruft mir zu, ich soll ihm helfen, den Käfig zurück auf die Bretter zu befördern, aber ich kann mich nicht rühren.
»Mach schon, Stephen! Es ist gleich hell!«
Der spinnt doch. Kriegt er gar nicht mit, was für Kräfte das Vieh hat? Wie kann er bloß so dicht danebenstehen?
Carol kommt durch den Matsch geschliddert, die beiden schieben die Bretter wieder unter den Käfig und geben mir ein Zeichen, dass ich weiterkurbeln soll.
Matsch, Erschöpfung. Keuchen, Schieben, Ziehen, alle Kraft aufbieten. Ein-, zweimal rutsche ich aus und falle hin, schlage mir an einem Stein die Lippe auf. Blutgeschmack im Mund. Carol löst mich an der Winde ab und ich gehe schieben, vergewissere mich, dass die Bügel noch eingerastet sind. Es wird immer heller. Angst, ertappt zu werden. Die Winde an den nächsten Baum umsetzen. Das Krokodil an seinem früheren Zuhause im Pumpenkäfig vorbeischleifen. Es gefällt ihm nicht, wenn sich der Käfig bewegt, er ist viel ruhiger, wenn wir eine Pause einlegen. Wegspringen, wenn er sich wieder um sich selber dreht. Wieder hingehen, wenn er sich beruhigt hat. Ihn zwischen den Bäumen durch zum Zaun zerren und schleifen. Das Fleisch bleibt an seinem Panzer hängen und klebt im Maschendraht. Rosa Matsch auf dem Boden. Kurbeln, bis der Käfig am Laster ist. Carol tippt mir auf den Arm. Sie will sich ins Auto setzen, ihr reicht es. Keiner von uns sagt etwas, nur Eric ruft mir Anweisungen |239| zu. Erleichterung, obwohl es schon fast sechs ist und man die ersten Autos hört.
Eric lehnt sich an den Laster. Er riecht nach Schweiß. Er hat Pulli und
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