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Beast

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Titel: Beast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
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endlich losfahren, und friert sich die ganze Nacht den Hintern ab, mal abgesehen von der Gefahr, in die sie sich begibt. Sie gehört nach Hause, wo sie für die Schule lernen kann, statt sich mit einem jugendlichen Kriminellen wie mir und einem Spinner wie Eric herumzutreiben. Sie löchert Eric mit Fragen und schnippt Eisenspäne vom Schweißtisch. Sie scheint sich richtig wohlzufühlen. Und Eric ist ganz in seinem Element, wie er so herumwuselt, sich ein paar alte Mäntel greift, eine alte, ölfleckige Decke von Hund und eine Packung Kekse. Nur ich sitze stumm da. Nur ich mache mir vor Angst fast in die Hose. Und zwar deshalb, weil ich derjenige bin, der es ausbaden muss, wenn was schiefläuft. Außerdem hat sich Eric immer noch nicht dazu geäußert, was er hinterher mit meinem Kleinen vorhat. Ich will ihn nicht danach fragen, wenn Carol dabei ist, denn sie glaubt immer noch, dass wir ihn ans Meer bringen.

    Weil Eric kein Schwein auftreiben konnte, fahren wir bei einem Supermarkt vorbei. Eric gibt Carol zwanzig Pfund und sagt, sie soll die größten Fleischstücke kaufen, die zu |224| haben sind. Sie kommt mit einer wilden Mischung wieder: billige Würstchen, ein Huhn, fünf Schweinekoteletts, eine Lammhaxe und drei Päckchen Schinken. Eric ist nicht begeistert. Er findet, das sieht alles so künstlich aus, dass es das Krokodil gar nicht erst wittert. Wir verplempern mindestens eine halbe Stunde, weil er quer durch die Stadt zu einem anderen Supermarkt fährt, der rund um die Uhr offen hat, und selber reingeht.
    Carol und ich warten im Laster und ich mache die Kekse auf.
    Wir futtern stumm vor uns hin und beobachten die Späteinkäufer. Es ist später Samstagabend und lauter Typen kaufen Pizza und Bier. Angetrunkene Schüler albern mit den Einkaufswagen rum und ziemlich viele Paare sind mit ihren kleinen Kindern im Tragetuch unterwegs. Haben die Leute samstagabends um zehn nichts Spannenderes zu tun als einzukaufen?
    »Woran ist er gestorben?«, fragt Carol.
    Ich kriege Kekskrümel in den Hals und muss so doll husten, dass mir die Tränen kommen.
    »Entschuldigung«, sagt Carol. »Wir müssen ja nicht drüber reden.« Da hat sie allerdings recht. Ich erhole mich von meinem Anfall und wische mir mit dem Ärmel die Nase.
    »Ich lese immer die Akten«, fährt Carol fort. »Meine Eltern haben einen Aktenschrank im Schlafzimmer.«
    Den kenne ich.
    »Er ist abgeschlossen, aber ich weiß, wo sie den Schlüssel verstecken. Wenn wir jemand Neuen bekommen, lese ich mir heimlich die Akte durch. Es ist echt unglaublich, |225| was mir Mum und Dad alles verschweigen, aber ich will wissen, mit wem ich zusammenwohne. Ich will wissen, ob nebenan ein Vergewaltiger, ein Junkie oder ein Misshandelter schläft. Kannst du das verstehen?«
    Ich nicke. Es überrascht mich nicht. Ich würde es an ihrer Stelle genauso machen.
    »Deine Akte habe ich auch gelesen. Ich weiß über die Autos und die Schule Bescheid. Ich weiß, dass dein Dad gewalttätig war. Ich weiß, dass du eine Zeit lang bei deiner Oma gewohnt hast, als deine Mum für unzurechnungsfähig erklärt wurde. Aber es fehlt einiges. Die Berichte der Betreuer und die psychologischen Befunde. Als ob uns das Jugendamt etwas verschweigt.« Sie nimmt mir die Kekspackung weg und bedient sich. »Das macht mir natürlich Kopfzerbrechen.«
    »Mindy ist eine Schlaftablette. Die verschlampt alles Mögliche.«
    »Ach so.« Carol fegt sich die Kekskrümel vom Schoß, denn Eric kommt im warmen Lampenschein mit prallen Tüten beladen über den Parkplatz gewankt.
    Dass etwas in der Akte fehlt, ist weder ein Versehen noch Schlamperei. Vor ein paar Jahren hat mich Mindy irgendwohin gefahren und meine Akte auf den Beifahrersitz gelegt. Als sie tanken musste und ausgestiegen ist, habe ich einen Packen Blätter rausgenommen. Es gibt Dinge, die gehen keinen was an. Das mit Selby zum Beispiel. Oder wieso sich die Fürsorge überhaupt um mich kümmert.
    Mum war schon immer ein bisschen, na ja, empfindlich. Selby hat mir erzählt, als Dad aus dem Golfkrieg |226| heimkam, hat sie seine ganzen Sachen verbrannt, weil sie dachte, sie wären vergiftet. Das kann ich mir lebhaft vorstellen.
    Nicht Mindy ist schuld, dass mich das Jugendamt von zu Hause weggeholt hat, o nein. Es war Mum, die ausgerastet ist und gesagt hat, sie packt’s nicht mehr. Ich fand ja, uns ging es ganz gut bei Oma. Aber Mum hat behauptet, sie hat mich nicht mehr im Griff.
    Sie hat mich verraten.

    Die Nacht ist lau. Es geht ein leichter

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