Beastly (German Edition)
zurückverwandeln.«
Sie schaute weg. »Das kann ich nicht.«
»Du willst nicht.«
»Nein, ich kann nicht. Es ist deine Sache, den Fluch zu brechen. Der einzige Weg besteht darin, ihn gemäß den Bedingungen rückgängig zu machen – du musst die wahre Liebe finden.«
»Das geht nicht. Ich bin ein Freak.«
Sie lächelte ein wenig. »Ja, irgendwie schon, nicht wahr?«
Ich schüttelte den Spiegel. »Du hast das aus mir gemacht.«
»Du warst ein abscheulicher Saftsack.« Sie schnitt eine Grimasse. »Und hör auf, den Spiegel zu schütteln!«
»Stört dich das?« Ich schüttelte ihn noch einmal. »So ein Pech aber auch.«
»Vielleicht war es kein Fehler, dich zu verwandeln. Vielleicht war es eher ein Fehler, in Betracht zu ziehen, dir zu helfen.«
»Helfen? Welche Art von Hilfe könnte ich schon von dir wollen? Ich meine, wenn du mich schon nicht zurückverwandeln kannst.«
»Ich kann dir Ratschläge geben, und mein erster besteht darin, dass du den Spiegel nicht kaputtmachen solltest. Er könnte dir irgendwann nützlich sein.«
Und dann verschwand sie.
Ich legte den Spiegel – vorsichtig – auf den Nachttisch.
5
Manchmal, wenn man in New York unterwegs ist – wahrscheinlich ist das überall so, aber vor allem in New York, weil es hier so viele Menschen gibt –, sieht man diese Leute, etwa Typen in Rollstühlen mit Beinstümpfen, die nur bis zum Rand des Stuhls reichen, oder Leute mit Brandnarben im Gesicht. Vielleicht wurden ihnen die Beine in einem Krieg abgerissen, oder jemand hat Säure über sie gekippt. Ich habe nie wirklich über sie nachgedacht. Wenn ich überhaupt einen Gedanken an sie verschwendet hatte, dann nur, um zu überlegen, wie ich an ihnen vorbeikomme, ohne dass sie mich berühren. Sie hatten mich angeekelt. Aber nun dachte ich die ganze Zeit über sie nach, darüber, wie man in der einen Minute noch ganz normal sein kann – vielleicht sogar gut aussehend –, und in der nächsten Minute passiert etwas, und alles ist anders. Man kann dabei irreversible Schäden davontragen. Ein Freak. Ich war ein Freak, und wenn ich noch fünfzig, sechzig, siebzig Jahre zu leben hätte, würde ich sie als Freak verbringen wegen dieser einen Minute, in der Kendra den Fluch über mich verhängte, nach dem, was ich getan hatte.
Der Spiegel hatte etwas Seltsames an sich. Kaum dass ich einmal hineingeschaut hatte, war ich ganz besessen davon. Zuerst schaute ich nach all meinen Freunden ( ehemaligen Freunden, wie Kendra sagte). Ich erwischte sie in den verrücktesten Momenten – wie sie von ihren Eltern angeschrien wurden, in der Nase bohrten, nackt waren oder einfach nur nicht mit mir rechneten. Sloane und Trey beobachtete ich auch. Sie waren zusammen, okay, aber Sloane hatte noch einen anderen Freund, einen Typen, der nicht aus Tuttle war. Ich fragte mich, ob sie mich auch betrogen hatte.
Dann begann ich, andere Leute zu beobachten. Die Wohnung war leer in diesen langen Augustwochen. Magda bereitete meine Mahlzeiten zu und stellte sie mir dann hin, aber ich kam nur heraus, wenn ich hörte, dass sie in einem anderen Teil des Hauses staubsaugte oder weggegangen war. Mir fiel wieder ein, dass sie gesagt hatte, sie hätte Angst um mich. Wahrscheinlich war sie der Meinung, ich hätte bekommen, was ich verdiente. Ich hasste sie dafür, dass sie das dachte.
Ich fing damit an, mein Jahrbuch von der Schule zu nehmen und auf irgendeine beliebige Person zu deuten – meistens auf irgendeinen Versager, mit dem ich mich nie beschäftigt hatte, als ich noch zur Schule ging. Ich las seinen Namen und schaute dann im Index, welchen Aktivitäten er nachging. Ich dachte immer, ich würde an dieser Schule alle kennen. Doch nun stellte ich fest, dass ich nicht viele gekannt hatte. Jetzt wusste ich alle Namen.
Das Spiel, das ich mir ausgedacht hatte, bestand darin, eine Person auszuwählen und dann zu erraten, wo ich sie im Spiegel sehen würde. Manchmal war es einfach. Technikfreaks waren immer an den Computern. Sportler waren dauernd draußen und rannten herum.
Am Sonntagmorgen wählte ich das Foto von Linda Owens aus. Sie kam mir bekannt vor. Dann wurde mir klar, dass es das Mädchen vom Ball war, dem ich die Rose geschenkt hatte und das so darauf abgefahren war. Das Mädchen, dem ich die zweite Chance zu verdanken hatte. In der Schule war sie mir zuvor nie aufgefallen. Jetzt schaute ich mir ihre Jahrbuchseiten an, die wie ein Lebenslauf aussahen: National Honor Society, French Honor Society, English
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