Beastly (German Edition)
schon lange genug bei der Arbeit gefehlt.« Er hatte wohl meine Miene gesehen, denn er fügte hinzu: »Es ist Zeitverschwendung, wenn nichts dabei herauskommt.«
»Klar.« Ich ging hinein. Dad begann, die Tür zuzuschieben, aber ich hielt inne, sodass sie meinen Rücken traf. »Wirst du mir trotzdem helfen?«
Ich beobachtete Dads Gesicht. Mein Vater war Nachrichtensprecher, daher hatte er seine Gesichtszüge wirklich gut unter Kontrolle, wenn er Müll erzählte. Aber selbst Dad konnte nicht verhindern, dass seine Lippen zuckten, als er sagte: »Natürlich, Kyle. Ich werde niemals aufhören, es zu versuchen.«
4
In dieser Nacht konnte ich nicht aufhören, darüber nachzudenken, was Dr. Endecott gesagt hatte. Dass er mir nicht helfen konnte, weil ich mich nicht verändern konnte. Das ergab jetzt einen Sinn – wie es aussah, wuchs mein Haar sofort wieder nach, sobald ich es schnitt. Dasselbe geschah mit meinen Nägeln – die inzwischen Krallen waren.
Dad war nicht da, und Magda war schon nach Hause gegangen. Dad hatte ihr Gehalt erhöht und sie Verschwiegenheit schwören lassen. Also nahm ich eine Küchenschere und eine Rasierklinge. Ich schnitt die Haare auf meinem linken Arm so kurz ich konnte, den Rest rasierte ich, bis er glatter war als vor meiner Verwandlung.
Ich glotzte auf meinen Arm und wartete. Nichts passierte. Vielleicht bestand das Geheimnis darin, es so glatt wie möglich zu machen, es nicht einfach nur zu schneiden, sondern zu vernichten. Selbst wenn Dad jemanden dafür bezahlen musste, dass er mich jeden Tag mit heißem Wachs übergoss, würde sich das lohnen, wenn ich dadurch ein wenig normaler aussehen könnte. Ich ging zurück in mein Zimmer, wobei ich etwas in mir aufsteigen fühlte – Hoffnung vielleicht –, etwas, das ich nicht mehr gefühlt hatte seit diesem ersten Tag, an dem ich Sloane angerufen hatte, um sie dazu zu bringen, herzukommen und mich zu küssen.
Aber als ich mein hell beleuchtetes Zimmer betrat, waren die Haare schon wieder nachgewachsen. Ich betrachtete meine Arme. Womöglich war die Behaarung auf meinem linken Arm noch dichter als zuvor.
Etwas – vielleicht ein Schrei – steckte mir in der Kehle. Rasch ging ich zum Fenster. Ich wollte den Mond anheulen wie eine Bestie aus einem Horrorfilm. Aber der Mond hatte sich hinter zwei Gebäuden versteckt. Trotzdem öffnete ich das Fenster und brüllte in die heiße Julinacht hinaus.
»Halt die Klappe«, drang eine Stimme aus einem der Apartments unter mir. Unten am Boden stob eine Frau davon, wobei sie ihre Handtasche umklammerte. In den Schatten außerhalb des Lichtkegels der Straßenlampe küsste sich ein Pärchen. Die beiden bemerkten mich nicht einmal.
Ich rannte in die Küche und nahm das größte Messer aus dem Messerblock. Dann verbarrikadierte ich mich im Badezimmer und schnitt ein Stückchen von meinem Arm ab, wobei ich vor Schmerz mit den Zähnen knirschte. Ich stand da und beobachtete, wie das Blut aus der Schnittwunde sickerte. Der wütende rote Schmerz gefiel mir. Dann schaute ich absichtlich weg.
Als ich den Blick wieder auf meinen Arm richtete, war die Wunde verheilt. Ich war unzerstörbar, unveränderlich. Bedeutete das, dass ich übermenschlich war, dass ich nicht sterben konnte? Und wenn jemand auf mich schoss? Und wenn das so war, was wäre schlimmer – zu sterben oder als Monster ewig zu leben?
Als ich zum Fenster zurückkehrte, war niemand mehr auf der Straße. Zwei Uhr. Ich wollte ins Internet gehen und wie immer mit meinen Freunden chatten. Ich hatte Dads Geschichte mit der Lungenentzündung übernommen, bis die Ferien anfingen, und dann allen erzählt, dass ich den Sommer in Europa verbringen würde und ab Herbst auf ein Internat ginge. Ich machte ihnen weis, dass wir uns noch mal sehen würden, bevor ich im August ginge, aber das war gelogen. Es war sowieso egal. Sie schrieben kaum mal eine E-Mail. Natürlich wollte ich nicht zurück nach Tuttle, zumindest nicht als Freak. In Tuttle hatten wir Leute schlecht behandelt, die billige Schuhe anhatten. So wie ich aussah, würden sie mit Mistgabeln auf mich losgehen. Sie würden genau wie Dad damals glauben, ich hätte eine Krankheit, und sich deshalb von mir fernhalten. Und selbst wenn das nicht passieren würde, könnte ich nicht damit umgehen, ein Freak zu sein an einer Schule, in der ich früher zu den Gutaussehenden gehört hatte.
Unten auf der Straße trottete ein Obdachloser mit einem riesigen Rucksack auf den Schultern vorbei. Wie
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