Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
streichen und ein bisschen abzukühlen. Ich hatte gehofft, etwas frischer zu sein, wenn ich meine neue Familie kennen- leme.
»Ah ja! Bonjour!«, sagt der Mann, beugt sich zu mir und gibt mir einen warmen feuchten Kuss auf jede meiner Wangen. Er ist ziemlich groß, mit recht langem silbernem Haar, das mit Gel zurückgekämmt ist. Ich bin sofort ziemlich angetan von ihm. Mein Gastvater sieht aus wie ein früherer Filmstar.
»Du musst Penelope sein«, sagt eine zierliche Frau mit hohen Wangenknochen und schimmernd weißen Zähnen. Ich überrage sie bei Weitem. »Ich erkenne dich vom Bewerbungsfoto.«
»Ah, oui«, scherzt der Mann. »Dein Foto war der Grund, warum wir dich ausgewählt haben und du bei uns wohnen darfst, während du aufs Lycee gehst. Du warst einfach so viel hübscher als all die anderen zukünftigen Schüler!« Er neigt seinen Kopf in meine Richtung. »Je suis Monsieur Marcjuet. Unser tiefstes Bedauern, dass wir bei deiner Ankunft in Paris nicht da waren und dich in Empfang nehmen konnten. Uns haben so viele Dinge in der Dordogne aufgehalten, mein neuer Job und so weiter.« Er erwähnt seinen Beruf so, als wäre der nur etwas, womit man seine Zeit zwischen Partys und irgendwelchen Benefizveranstaltungen ausfüllt.
Mme. Marquet richtet sich auf. »Nun gut. Aber jetzt sind wir ja da, nicht wahr?«
»Ich bin so froh, Sie endlich kennenzulernen!«, sage ich begeistert und widerstehe dem Drang, sie beide ungestüm und dankbar zu umarmen.
»Penelope, ma belle, wir sind gerade auf dem Weg zu einer Gala für Medecins sans Frontieres - wir haben die Karten schon seit mehreren Monaten, aber gerade erst bemerkt, dass die Benefizveranstaltung ausgerechnet heute Abend stattfindet.« M. Marquet schnalzt bedauernd mit der Zunge. »Es wird sicher spät.« Er fasst Mme. Marquet am Ellbogen und führt sie zu der wartenden Limousine.
»Oh«, sage ich und hoffe, meine bittere Enttäuschung überspielen zu können. »Mir war nicht klar ...«
»Cherie, lauf doch einfach hoch und mach dich selbst mit der Haushälterin Sonia bekannt«, sagt M. Marquet. »Wir werden uns dann alle am Wochenende kennenlernen, wenn du mit uns zu unserem Haus in der Dordogne fährst. Es sei denn, du hast andere Pläne.«
»Echt?«, quieke ich ungläubig. Wir kennen uns erst wenige Minuten und schon laden sie mich für das gesamte Wochenende in ihr Haus in der Dordogne ein? Vielleicht ist es ja doch einfacher, als ich dachte, mich in ihre Herzen zu schleichen. »Nein, ich habe noch nichts anderes vor!«
»Oui, Schätzchen, natürlich nicht«, sagt Mme. Marquet. Ihr Mund bildet eine strenge, harte Linie, während die beiden darauf warten, dass ich hineingehe. Mme. Marquet klopft auf ihre goldene Armbanduhr.
»Bis Freitag«, sagt M. Marquet und winkt mir mit seinen langen Fingern zu, während Mme. Marquet vorsichtig in die Limo einsteigt und dabei sorgsam auf ihr perlenbesetztes dunkelrotes Kleid achtet. Seine Augen funkeln, als würden wir ein Geheimnis miteinander teilen. Ich lächle zurück, auch wenn ich noch immer gekränkt bin, dass sie mich so schnell allein lassen. »Bonne soiree!«
Ich freue mich, dass ihre Haushälterin Sonia genauso warmherzig und freundlich ist wie die Marquets gehetzt und abgelenkt sind. Sonia, eine mollige hochgewachsene karibische Frau, spricht ein abgehacktes, akzentuiertes Französisch, das mich von dem Moment an, als ich durch die Eingangstür trete, beruhigt.
Wie bei Olivias Apartment ein Stück die Straße hinunter leben die Marquets in einem Glanz, von dem die meisten Menschen nur träumen können. Der Hauptunterschied besteht allerdings darin, dass das Apartment der Marquets fast dreimal so groß ist wie das von Mme. Rouille. Mme. Rouille hat nur zwei Schlafzimmer und eine Bedienstetenkammer, aber als Sonia mich herumführt, zähle ich mindestens drei Schlafzimmer zusätzlich zu einer herrschaftlichen Schlafsuite und meinem eigenen großen Raum am anderen Ende der Wohnung. Mit den dicken Brokatvorhängen, die zugezogen sind, ist das Apartment auch viel dunkler und schmuddeliger als meine bisherige Bleibe. Elise hält Mme. Rouilles Apartment peinlich sauber, während hier alles mit einer gewissen Staubschicht bedeckt ist. Es ist offensichtlich, dass die Marquets in der letzten Zeit nicht oft in Paris waren.
»Das ist saisonabhängig«, erklärt Sonia. »Der Herbst ist in Paris die Jahreszeit der Menschenliebe. Aber an den Wochenenden fahren sie trotzdem in die Dordogne. Sie können einfach nicht
Weitere Kostenlose Bücher