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Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen

Titel: Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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sehen, was sie alles auf ihre Kappe nehmen muss. Das ist nervig, gehört aber nun mal zum Job dazu. Mach dir nichts draus! Ich bin mir sicher, deine Gasteltem können sich eine neue leisten. Keiner würde es dir übel nehmen, wenn du eine kleine Notlüge erzählst, um dich selbst zu schützen.«
    Jay hat recht. Die Vase - ob Ming-Vase oder nicht - war ein Unfall. Ich würde es niemals Sonia in die Schuhe schieben, aber die Marquets müssen ja auch nicht unbedingt herausbekommen, dass hier eine Party stattgefundten hat. Sie müssen auch nicht erfahren, dass Olivia mit einem Mal - völlig untypisch für sie - übermütig wurde und die Vase umgeworfen hat, als sie von einem älteren Typen verführt wurde, der nicht ihr Freund ist. Ich könnte so tun, als hätte ich sie selbst umgeworfen, als ich sie mir an einem ruhigen Wochenendabend mal aus der Nähe anschauen wollte.
    Keiner würde es dir übel nehmen, wenn du eine kleine Notlüge erzählst...
    Mit Tränen in den Augen schaue ich Jay an. Er ist so süß, so entspannt. Ob er mich wohl mag, ob Zack mit seiner Anspielung recht hat? Wird es in diesem Jahr irgendeinen Punkt geben, an dem ich über all die Dinge in meinem Kopf hinwegkomme und erforschen kann, ob ich ihn auch mag oder nicht?
    Ich stelle mir vor, wie er sich mit mir zu einem Date verabredet, vielleicht hierherkommt, um mit mir an dem Louvre-Projekt zu arbeiten, statt mich in der Bibliothek im Lycee zu treffen. Vor meinem inneren Auge spazieren wir den Boulevard de Courcelles entlang, wo sich das Laub bereits orange, gelb und rot färbt; wir kommen am Parc Monceau vorbei, wo die Schulkinder in ihren karierten Uniformen auf den Statuen hemmklettern. Ich habe meinen leuchtend grünen Hut auf - den, den mir meine Mutter letzten Winter aus selbst geschorener und gesponnener Wolle gestrickt hat. Jay trägt seine Wollmütze von North Face und wir haben beide unsere Converse-Turnschuhe an. Mit unserer ähnlichen Größe, seinem dunklen Teint und meiner hellen Haut und den blonden Haaren würden wir ein süßes Pärchen abgeben. In meiner Fantasie frage ich ihn, wie es für ihn war, in Guatemala aufzuwachsen, bevor er in die USA gezogen und dort in den Kindergarten gekommen ist, und ich kann ihm alles über meine Eltern und Annabel erzählen und wie das Unheil seinen Anfang genommen hat. Und er würde mich nicht verachten und trotz allem noch etwas mit mir zu tun haben wollen.
    Ich öffne den Mund, schließe ihn aber gleich wieder. Es geht einfach nicht.
    »Ich muss los«, sage ich, schnappe mir die Papiertüte, in die ich die größeren Scherben der teuren Vase gelegt habe, und öffne die Terrassentür, damit ich sie draußen in den größeren Müllcontainer werfen kann, in den ich auch die Bierflaschen entsorgt habe, damit sie nicht die Wohnung vollstinken.
    »PJ, warte! Was wolltest du gerade sagen?« Jay folgt mir auf die Terrasse hinaus. »Was immer in dir vorgeht, was immer zu deinem Schwächeanfall im Louvre geführt hat - du kannst es mir ruhig sagen! Ich verspreche dir, nicht über dich zu urteilen!«
    Die Verlockung, jemandem mein Herz auszuschütten, ist zu groß, als dass ich sie beiseiteschieben könnte. Langsam atme ich aus und suche in seinen Augen nach einem Hinweis, dass es wirklich das Richtige ist.
    »Jay«, setze ich an. »Es fällt mir so schwer, das zu sagen ...« »Nein, warte. Noch nicht«, sagt Jay. »Ich glaube, wir haben hier draußen Gesellschaft.«
    »Oh mein Gott.« Ich traue meinen Augen nicht.

15. OLIVIA
    Die einen betrügen, die anderen stehlen
    Nachdem wir hingefallen sind, krabble ich zu Thomas hinüber. Das kurze schwarze Kleid mit Flügelärmeln, das ich mit Alex im H&M gekauft habe, rutscht gefährlich hoch. Darunter trage ich durchsichtige schwarze Ballettstrumpfhosen. Das erweist sich jetzt als weise Voraussicht, wenn man bedenkt, dass Thomas mich den ganzen Abend wie einen Invaliden hemmgetragen hat, damit ich mich nicht noch mal am Fuß verletze.
    Die anderen auf der Party wirken überrascht, dass ich Thomas dabei habe, aber ich erkläre ihnen immer und immer wieder, dass er nicht mein Freund ist - sondern der Sohn meiner Gastmutter. Wir müssen Zeit miteinander verbringen - quasi eine Verpflichtung, wenn es nach Mme. Cuchon geht!
    »Viens ici«, knurrt er mir zu. »Komm hierher! Dürfen wir für einige Zeit auf die Terrasse laufen?«
    Ich pruste los. Ich weiß, dass ich betrunken sein muss, denn normalerweise würde ich nie über die mangelnden Sprachkenntnisse eines

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