Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
anderen lachen. Es ist aber einfach zu komisch, Thomas zuzuhören, dem intellektuellen, tollen Medizinstudenten und dem Augapfel meiner Gastmutter, wie er Englisch redet.
»Quoi?«, sagt Thomas und versucht, verärgert dreinzublicken. »Machst du dich gerade lustig über mich?«
»Thomas!«, tue ich ganz erstaunt. »Das würde ich doch nie machen!«
»Kann ich dich dann also auf die Terrasse bringen oder nein?«
Er hebt mich vom dicken Perserteppich hoch und nimmt mich wieder huckepack.
»Mais oui«, sage ich. Thomas schiebt die Terrassentüren auf. Er rückt einen verschnörkelten schmiedeeisernen Gartenstuhl so hin, dass er in Richtung Place de Ternes unterhalb von uns zeigt, und setzt mich behutsam hinein. Dann hockt er sich auf den Steinboden vor mich.
Ich schaue über das Geländer nach unt£n und erblicke eine Gruppe Feiernder, wahrscheinlich Mitte Zwanzig, die direkt auf dem Kreisverkehr ihre Sektgläser heben. Sie scheinen so ausgelassen zu sein, dass sie es nicht mal erwarten können, in eine Bar zu kommen.
»Das liebe ich so an Paris«, sage ich. Autos hupen, als sie an der Gruppe vorbeifahren. »Alle leben im Hier und Jetzt. Nicht alles konzentriert sich auf die Zukunft.«
Thomas hört mir schweigend zu.
»Ich finde es toll, dass alle andauernd feiern wollen!« Ich beobachte, wie einer der Männer vor seinen Freunden ein Rad schlägt. Die Frauen aus der Gruppe jubeln und verlangen nach einer Zugabe.
Zumindest fühlt es sich für mich in Paris so an. Bevor ich hierherkam, hatte ich irgendwie nie das Gefühl, dass es viel zu feiern gibt. Auch wenn ich im Augenblick Tausende von Meilen von meiner Familie und meinem Freund getrennt bin, ich gerade kein Ballett machen kann, ich meinen Fuß nicht nur einmal, sondern gleich zwei Mal verletzt habe, und bei einer Frau wohne, die höchstens dann eine positive Bemerkung über mich fallen lässt, wenn ich gerade nicht dabei bin - und doch fühle ich mich in Paris leicht und beschwingt. Einfach so, ohne irgendeinen bestimmten Grund.
»Warum bist du überhaupt nach Paris gekommen, Olivia?«
»Weißt du«, sage ich, halte mich mit den Armen an dem Geländer fest und lehne mich zurück. »Um in der Opera zu tanzen!«
»Ballettschulen gibt es doch überall auf der Welt«, bemerkt Thomas. »Warum also gerade Paris? Warum nicht Moskau? New York? Oder gar Los Angeles?«
»Na ja«, sage ich. »Willst du's wirklich wissen?«
»Ich hätte nicht gefragt, wenn ich es nicht wissen wollen würde.«
»Madame Brigitte war der Auslöser, dass ich nach Paris gekommen bin«, erkläre ich. »Mme. Brigitte betreibt die Ballettschule oberhalb von San Diego. Sie ist irre - eine ganz zarte, kleine Frau, die früher beim American Ballet Theatre in New York getanzt hat. Sie ist in Paris aufgewachsen, in einem Nachtklub, der in den Sechzigern ihrem Vater gehörte. Alle dachten, dass sie zu wild sei, um eine professionelle Ballerina zu werden, aber sie hat jedes Mal, wenn sie tanzte, die Bühne zum Leuchten gebracht. Nachdem sie lange beim American Ballet Theatre war, hat sie alle ziemlich geschockt, als sie Hals über Kopf mit einem Filmmusik-Komponisten, den sie engagiert hatten, damit er die Musik zu einer Aufführung komponiert, nach Kalifornien gegangen ist. Die beiden waren so verliebt, aber eines Tages, als es heftig regnete, war sein Auto das erste in einem Auffahrunfall von achtzehn Wagen auf der Interstate 405 in der Nähe von Long Beach. Mme. Brigitte zog nach San Diego, zusammen mit dem Vater des Komponisten, der ein bisschen wie Stevie Wonder ist. Er ist blind, spielt aber wunderschön Klavier. Mme. Brigitte und ihr Schwiegervater haben das Geld, das sie vom Komponisten geerbt hatten, benutzt, um eine Tanzschule zu eröffnen.«
Ich hielt inne, um Luft zu holen. Peinlich, wie viel ich gerade geredet habe.
»Hat die Akademie einen guten Ruf?«, fragt Thomas mich und trinkt seinen Rotwein. So dicht, wie er sich zu mir rüberbeugt, gibt er mir das Gefühl, als sei das das faszinierendste Thema der ganzen Welt.
»Oh nein«, lache ich. »Damm bin ich ja hergekommen. Meine Mom wollte, dass ich in ein etablierteres Programm wechsle. Sie glaubt, dass ich so leichter ein Stipendium bekomme. Ich dachte, ich würde es nicht aushalten, meine Familie alleinzulassen und bei jemand anderem Ballettunterricht zu nehmen. Aber meine Mom ließ nicht locker. Sie war der absoluten Überzeugung, dass es das Beste für mich sei, im Hinblick auf meine Zukunft. Und irgendwann dachte ich:
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