Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
winkt sie Jay zu, der neben uns hersprintet, einen Seesack auf der Schulter.
Die Schüler aus dem Lycee springen alle von ihren Sitzen auf und quetschen sich an unser Fenster, um mitzubekommen, ob Jay uns einholen und an Bord springen kann. Ich entriegle das Fenster und schiebe es so weit hach unten, wie es geht.
»Du schaffst es, Kumpel!«, brüllt Drew aus dem geöffneten Fenster und rempelt aus Versehen Alex an, als er sich über sie beugt. Als ihr Gesicht unter seiner Achsel eingekeilt ist, macht sie ein lautes Würgegeräusch.
»Drew, verzieh dich!«, sagt sie angeekelt. »Du riechst nach Curry.«
»Stimmt«, sagt George, zu niemand Speziellem. »Wir waren mittags indisch essen.«
»Er riecht so, als hätte er drin gebadet«, sagt Alex naserümpfend. »Oder als hätte er überhaupt nicht gebadet.«
Aber Drew ignoriert beide. »Los, schneller, Kumpel!«
Der Zug beschleunigt seine Fahrt. Der Schaffner, dem das Ganze gar nicht gefällt, steht in der geöffneten Zugtür. Allerdings ist ihm anscheinend klar geworden, dass Jay nicht locker lassen wird, und so tritt er zur Seite, damit Jay reinspringen kann. Mme. Cuchon sieht so aus, als sei sie einem Herzinfarkt nahe. Das ganze »Programme Americaine« hält gemeinschaftlich den Atem an. Gespannt warten wir, ob er es schafft.
Ganz plötzlich wird die Tür zum Zugabteil aufgerissen, und Jay steht vor uns, schweißnass und mit einem breiten, triumphierenden Grinsen im Gesicht.
Wir Amerikaner brechen in lauten Applaus aus. Die texanischen Zwillinge, die schon seit der Grundschule Cheerleader sind, stimmen sogar einen Sprechgesang an, bei dem viel geklatscht und irgendein unverständlicher Text gesprochen wird.
Jay stößt mehrmals seine Faust in die Luft. »Gib alles!«, ruft er.
»Oh - mein - Gott«, sprudelt es aus Alex heraus. »Habt ihr das gesehen?«
»Das kommt ganz sicher auf meine Liste der Top-Ten-Augenblicke hier in Paris«, sagt Olivia und zieht ein kleines Notizbuch aus ihrer Tasche, das sie seit Kurzem mit sich herumträgt und in das sie alles reinschreibt, was sie an Paris so liebt.
Augenblicke in Paris? Das wird einer der Top-Ten-Augenblicke meines gesamten Lebens. So was Cooles habe ich ja noch nie gesehen. Jay ist gerade vom Klassen-Nobody zum Klassen-Held aufgestiegen.
Langsam erholt sich Mme. Cuchon wieder, aber durch Jays Eskapade scheint sie ungefähr um zehn Jahre gealtert zu sein. Mit harten Mienen stehen Mlle. Vaillant und sie auf und blicken uns finster an, bis wir uns beruhigen.
Als Jay den Gang entlanggeht und dabei die dargebotenen Hände abklatscht und Glückwünsche für seinen hammermäßigen Auftritt entgegennimmt, sagt ihm Mme. Cuchon, dass der Platz neben mir der letzte ist, den sie für den Ausflug reserviert hat. Ich setze mich aufrechter hin und danke meinem Glücksstern.
»Hey, Mann!«, sagt Jay, wirft seinen Seesack auf die Gepäckablage über meinem Kopf und lässt sich neben mich fallen. An den Seiten seines Gesichts, exakt dort, wo seine Koteletten enden, ist er noch immer verschwitzt. Genau wie an der Oberlippe. Jay wischt sich mit dem Ärmel seines Minnesota-Vikings-Sweatshirt den Schweiß weg.
»Wow. Hey, Mann. Das war ziemlich krass. Wie geht's, wie steht's? Freust du dich schon auf Lyon? Könnte spaßig werden«, frage ich Jay nervös.
Alex blickt mich über das klebrige Tischchen zwischen uns hinweg fragend an. Auf den meisten Schulausflügen haben sie und ich uns eine strikt coole, nicht-zubegeisternde Haltung zugelegt, außer natürlich, es hat was mit Jean-Luc Godard zu tun. Lyon ist die zweitgrößte Stadt in Frankreich und Mlle. Vaillant zufolge voller außergewöhnlicher Kostbarkeiten und geradezu tragisch unterbewertet. Mit dem Hochgeschwindigkeitszug liegt Lyon ungefähr zwei Fahrstunden südöstlich von Paris entfernt. Aber laut Alex, die schon mehrmals dort war und ein paar alte Freunde ihrer Mom besucht hat, ist dieser Wochenendausflug nichts, weswegen man aus dem Häuschen geraten müsste.
Aber der Gedanke, den ganzen Weg nach Lyon neben Jay zu sitzen? Das ist meiner Meinung nach absolut etwas, weswegen man begeistert sein kann.
»Klar«, sagt Jay mit einem breiten Lächeln. »Ich bin echt froh, dass ich es geschafft habe. Sah kurz mal ziemlich brenzlig aus.«
»Du kannst echt ganz schön schnell laufen«, antworte ich und zucke dann zusammen. Hallo, wer bin ich - ein Superfan???
»Ha! Du solltest mich mal beim Fußballtraining bei den Laufübungen sehen. Läufst du selbst auch?«
Ich
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