Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
doch nicht klären.
»Ach, ich bin irgendwann zu dem Schluss gekommen, dass er spießig ist«, fuhr sie mich an. »Die Farbe war so - sie hat mich einfach älter gemacht. Der Mantel wäre vielleicht eher was für meine Mutter.«
Sie drückte ihre Zigarette mit ihren braunen Reitstiefeln aus - die sie nun schon die ganze Woche trägt. Das ist ziemlich ungewöhnlich für sie. Normalerweise Wechselt Alex andauernd ihre Kleidung. Dann stolzierte Alex ins Restaurant zurück und vermied es dabei, George anzusehen, der es sich mit den Zwillingen und Drew an einem Ecktisch gemütlich gemacht hatte und lachend zuhörte, wie Drew den Beat eines französischen Techno-Pop-Songs trommelte, auf den alle Mädchen aus dem Programm im Moment total abfahren.
Jetzt gerade, im Geschenkeladen der Kathedrale, hebt Alex einen dunkelroten Rosenkranz hoch, der aus echten Rosen gefertigt ist, so wie früher, und zeigt ihn mir. »Den sollten wir Liwy mitbringen«, sagt sie mit einem Kichern. »Dafür, dass sie eine so gute Katholikin ist.«
Ich schaue auf das Preisetikett. Der Rosenkranz kostet fünfündvierzig Euro.
»Ha!«, sage ich. »Für einen Gag ist der aber zu teuer.«
Alex lächelt, ohne mich anzusehen. »Hmm«, sagt sie. »Da hast du wohl recht. Dann wollen wir mal unsere kleine Nonne in Ausbildung suchen, bevor sie noch Hals über Kopf in ein einsames Kloster in den Bergen flieht.«
Wir finden Olivia an einem Altar in einer Nische rechts vom Hauptschiff. Sie zündet gerade eine Kerze an und betet inbrünstig mit geschlossenen Augen.
»Schau mal, Liv.« Alex reißt Olivia aus ihrem Gebet. »Wir haben ein Geschenk für dich!« Alex greift in ihre Tasche und gibt Olivia den dunkelroten Rosenkranz.
Lächelnd lässt Olivia die schweren Perlen durch ihre Finger gleiten.
»Oh, Alex!«, sagt sie gerührt. »Der ist wunderschön. Er sieht genauso aus wie der, den meine Oma mir geschenkt hat, bevor sie letzten Sommer gestorben ist. Ich habe gerade erst neulich gedacht, dass ich ihn hätte nach Paris mitnehmen sollen. Wie süß von dir.«
»Na ja, irgendwie hatte ich das Gefühl, dass du in den letzten Tagen mehr mit Gott geredet hast als mit deinen besten Freunden«, scherzt Alex freundlich und umarmt Olivia. »Mme. Cuchon ruft übrigens schon. Ich unterbreche deine Zwiesprache mit dem Göttlichen ja nur ungern, aber der Bus fährt gleich ab, Schwester.«
Die beiden Mädchen wollen zum Rest der Gruppe eilen, die bereits durch die massiven Holztüren der Kathedrale hinausströmt. Aber ich halte Alex zurück. »Alex, was zum Teufel soll das?«, frage ich ernst. »Jetzt klaust du schon religiöse Utensilien?«
Aber klar. Wahrscheinlich stehlen reiche Mädchen wie Alex alle für ihr Leben gern. Sie ist eben immer auf der Suche nach dem Nervenkitzel, und im Augenblick war nichts anderes verfügbar.
»Ach, jetzt sei doch nicht albern«, knurrt sie mich böse an und stößt meine Hand weg, mit der ich sie festhalte. »Oder bist du eifersüchtig, dass ich nichts für dich besorgt habe?«
Unwillig, mich zu versöhnen, lasse ich sie vor mir hergehen.
Als Nächstes bringt uns Mme. Cuchon ins Centre d'Histoire de la Resistance, wo anhand der Exponate die Geschichte des französischen Widerstands während der Besetzung durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg erzählt wird. Als wir später aus dem Museum rauskommen und uns auf den Weg zu McDonald's machen, sind alle ganz still. Ein paar Mädchen, einschließlich Olivia, wischen sich noch immer Tränen aus den Augen, als wir uns an der Bestelltheke anstellen.
»Du bist dran«, drängt Alex Olivia, die sich nicht entscheiden kann, was sie nehmen soll.
»Ähmmm«, sagt sie unschlüssig. »Ich habe eigentlich gar nicht so viel Hunger.«
»Liv!«, seufzt Alex verzweifelt. »Nun mach schon! Du hältst hier den ganzen Betrieb auf.«
Verlegen wirft Olivia einen Blick hinter sich. »Oh, tut mir leid«, sagt sie. »Je voudrais unjus d'orange, s'il vous plait.«
»Herrgott, ist das alles, was du nimmst, einen Orangensaft?«, fragt Alex. »Wirst du jetzt durch deine Ballettschule zusätzlich zu all deinen anderen Neurosen auch noch magersüchtig?«
»Alex!«, sage ich scharf. »Hör auf! Was soll denn das?«
Aber Alex antwortet mir nicht. Sie gibt dem Kassierer nuschelnd ihre Bestellung durch, der sie aber nicht versteht. Anders als sonst bittet mich Alex diesmal nicht um Hilfe, sondern zeigt nur auf eines der Value-Menu-Bilder auf dem Plakat. »Ich hasse McDonald's«, murmelt sie. »Wer hatte
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