Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
mit der U-Bahn zum Studentenwohnheim gefahren sind, war ich wie berauscht davon, wie viele Möglichkeiten vor mir lagen und was hier alles geschehen könnte. Vielleicht würde ich ja einen Typen kennenlernen, den ich so sehr mochte, dass ich ihn gern küssen würde ...
Was ist nur mit mir los? Warum bin ich in letzter Minute so ausgetickt?
Alex wäre total sauer auf mich, wenn sie davon wüsste. Sie war immer meine Ratgeberin, vor allem wenn es darum ging, Männer kennenzulernen.
Ha. Was sie wohl gerade macht? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie auch ohne mich zurechtkommt.
Am Bahnhof angekommen, versuche ich, ein Ticket nach Paris zu kaufen, aber die Bahnmitarbeiterin erklärt mir, dass es so spät am Tag keine verfügbaren Plätze mehr bei den direkten Verbindungen gibt.
»Sie können den Zug nach Brüssel nehmen und dort dann ... nach Rouen umsteigen. Das ist die günstigste Strecke, wenn Sie unbedingt noch heute Abend loswollen«, sagt mir die Dame am Schalter durch den kleinen Lautsprecher über ihrem Fensterchen. »Von dort können Sie den Regionalzug nach Paris nehmen. C'est agréable?«
»Klar, was auch immer«, murmle ich und nehme meine Tickets aus dem Drehteller, in den sie sie legt.
»Gute Reise!«, ruft sie mir hinterher. Ich streiche mir die Haare aus den Augen und winke ihr.
Wenn es doch bloß eine gute Reise hätte sein können!
24 • PJ
Am Limit
»Warte mal kurz.« Annabel schaut sich hektisch um. Der Wohnungseigentümer kommt heute her, um etwas von dem alten Gerümpel aus den Schränken zum Flohmarkt in Rouen zu karren. Annabel versucht gerade, in letzter Minute noch aufzuräumen. »Wo ist die Uhr?«
»Welche Uhr?«, frage ich sie, während ich auf Händen und Knien die schmutzigen Fliesen des Badezimmerbodens schrubbe. Es ist wichtig, dass hier alles schön und sauber aussieht. Der Besitzer darf nicht denken, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist.
Marco trinkt währenddessen gemütlich an der Küchentheke Bier. Er schielt abwechselnd lüstern auf mich und auf Annabel. »Marco, du gehst dann aber, bevor er kommt, ja?«, frage ich so höflich, wie ich kann. »Ich meine, er soll doch nicht wissen, dass hier drei Leute mietfrei wohnen. Das würde ihm sicher nicht gefallen, oder, Annabel?«
Annabel antwortet nicht. »Im Ernst, wo ist die Uhr? Sie hat hier doch noch vor ein paar Tagen auf dem Tisch gestanden.« Sie beginnt, die karierten Kissen von der Couch hochzuheben und mit den Armen in alle Ritzen zu tauchen. »Eine Uhr kann doch nicht einfach so spurlos verschwinden.«
Ich stehe auf und helfe ihr bei der Suche. »Diese braune Uhr mit den goldenen Ziffern?«
»Ja. Ivan hat gesagt, es sei eine Antiquität aus Kiew oder so. Sie ist ziemlich viel wert. Er wollte sie heute mit zum Flohmarkt nehmen.«
Ich gehe ins Schafzimmer und sehe überall nach: in den Schubladen der Kleiderkommode, im Schrank, unter dem Bett, zwischen den Kissen und Decken. Aber ich kann sie trotzdem nicht finden.
»Marco, hast du die Uhr gesehen, die Annabel meint?«, frage ich ihn, als ich wieder ins Wohnzimmer komme. Ich versuche mein Bestes, nicht allzu bevormundend zu klingen.
»Nein«, grunzt Marco. Er hat eine drei Tage alte spanische Zeitung vor sich ausgebreitet. So, wie er sie liest, könnte man glatt meinen, sie wäre das Faszinierendste, was ihm je unter die Augen gekommen ist.
»Bist du sicher?«, fragt Annabel. Sie kaut nervös auf der Unterlippe herum. »Es tut mir leid, dass ich dich dauernd frage, Baby, aber es ist wirklich wichtig, dass wir sie finden. Ivan wirft mich hochkant raus, wenn er glaubt, dass ich seine Sachen klaue - vor allem, weil er ja genau diese Uhr heute für den Flohmarkt will.« Sie saust ins Schlafzimmer, um noch mal alles abzusuchen.
Marco lacht. »Ivan! Was für ein Blödmann!« Kurz ahmt er Annabels russischen Vermieter nach, wie er die Stufen zur Dachgeschosswohnung hochwatschelt. »Wen interessiert schon seine blöde Uhr?«
»Annabel interessiert sie, Marco«, sage ich zu ihm. »Und mich auch. Und dich sollte sie eigentlich ebenfalls interessieren, wenn du auch nur irgendeinen -«
»Sei still, Penelope!«, unterbricht mich Annabel. »Lass Marco in Ruhe!« Sie sieht mich warnend an. »Nicht so schlimm.«
»Annabel, du hast also einfach so eine wertvolle Antiquität verloren ? Das glaube ich ja wohl nicht. Bist du dir sicher, dass Marco sie sich nicht gekrallt und verkauft hat? Besonders, als ihm klargeworden ist, dass sie was wert ist?«
»Warum denkst du,
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