Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
blicke wieder auf Denis hinunter. Dunkelrotes Blut bildet eine Pfütze um sein Gesicht herum. Ich habe das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen oder ohnmächtig zu werden. »Ich kann so einfach nicht leben. Komm schon. Wir müssen hier weg. Und wir kommen nicht zurück.« Ich halte mich am Tisch fest, während mich eine ungeheure Gewissheit benommen macht. »Niemals.«
L’EPIPHANIE
Dreikönigsfest
25 • Olivia
Bedeutende Männer
Auf der gesamten Fahrt nach Périgueux ist Thomas geradezu unheimlich ruhig. Dass er innerlich aufgebracht ist, kann ich nur daran erkennen, dass das Leder der Vespa-Griffe, wenn er sie denn loslässt, schweißnass ist.
Die meiste Zeit während der Fahrt blicke ich sehnsüchtig auf das Mittelmeer hinaus. Ich habe schon immer davon geträumt, an die französische Riveria zu fahren, aber nicht im Januar. Nicht unter solchen Umständen.
Vor einem Supermarkt in Nimes hält Thomas an, um zu telefonieren. Ich entferne mich ein paar Schritte, um ihm ein wenig Privatsphäre zu verschaffen. Als ich mich an den Zeitschriftenständern umsehe, fällt sie mir wieder ins Auge: die Ausgabe der Gala, auf der die Marquets abgebildet sind.
»Non! II ne s'agit pas seulement de toi, Maman. II s'agit aussi de moi - et Papa«, ruft Thomas unvermittelt in sein Handy. Ich laufe zu ihm.
»Thomas! Was ist denn los?« Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter, in dem Versuch, ihn mit dieser Berührung zu trösten. Offenbar ist Mme Rouille nicht gerade erfreut darüber, dass Thomas und ich nach Périgueux fahren. Ihre Stimme dringt blechern durch Thomas' Handy, sie verlangt, dass er sofort umkehrt und zurück nach Paris kommt.
»Papa ist gestorben wegen M. Marquet«, sagt Thomas auf Englisch, damit ich ebenfalls mitbekomme, wie stark seine
Gefühle sind. »Bitte mach dir keine Sorgen - ich werde schon nichts Unüberlegtes tun!«
Mme Rouille redet noch immer, aber Thomas legt einfach auf.
»Thomas, was willst du tun, wenn du M. Marquet siehst? Wenn du ihm drohst, tut er dir vielleicht etwas an«, sage ich mit zittriger Stimme. Mich überkommt wieder ein vertrautes Schaudern. Ich möchte PJ finden, aber das ist vielleicht nicht der beste Weg. Ich weiß, ich sollte Thomas unterstützen, doch das scheint ziemlich gewagt.
»Ich will mit ihm sprechen«, murmelt Thomas. »Von Angesicht à Angesicht.«
Ich nicke. »Je te comprends.« - Ich verstehe.
Nachdem wir uns ein wenig in dem Städtchen Périgueux umgehört haben, finden wir heraus, in welcher Richtung das Château der Marquets liegt. Alle wissen, wo der örtliche Magistrat wohnt.
Wir fahren zu dem riesigen dunklen Haus. Etwas entfernt, in einem kleineren Haus, brennt noch Licht. Nachdem wir lange an die schwere Eingangstür des Haupthauses geklopft haben, geht Thomas entschlossen auf das kleinere Häuschen zu.
»Bonsoir«, begrüßt uns eine Frau an der Tür. »Est-ce que je peux vous aider?«
Die Wut in Thomas' Gesicht ist unübersehbar und ich kann der Frau keinen Vorwurf machen, dass sie sich ängstlich am Türrahmen festhält, als sie uns fragt, ob sie uns helfen kann. Ich versuche, die Anspannung durch ein Lächeln abzumildern.
» J'essaie de trouver mon amie«, erkläre ich. »Ich versuche meine Freundin zu finden, PJ. Penelope. Kennen Sie sie?«
»Ah, Penelope«, sagt die Frau. »Oui. Sie ist die Adoptivtochter von les Marquets. Sie machen alle zusammen Urlaub in der Normandie.«
»Normandie?«, wiederholt Thomas. »Was machen sie denn in der Normandie? Und wer sind Sie überhaupt?«
»Penelope ist auf Familienbesuch«, sagt die Frau. »Je suis Marie. Mein Mann und ich kümmern uns für les Marquets um das Anwesen.«
»Schön, Sie kennenzulernen.« Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Mais je ne comprends pas. Mon amie Penelope - sie ist mit ihnen im Urlaub? Aber sind die Marquets denn nicht gerade eben noch in der Dordogne gewesen, zu Silvester?«
»Ah oui«, entgegnet Marie. »Mademoiselle Penelope ist zu Besuch zu ihrer Schwester gefahren, apparement. Und dann sind die Marquets nachgefahren. Die ganze Gruppe reist actuellement mit dem Neffen der Marquets, Denis. Er ist ein Freund meines Sohnes. Sie sind zusammen aufgewachsen und haben immer hier im Château miteinander gespielt. Kennen Sie ihn denn auch?« Ihre Angst scheint langsam abzuflauen, je länger wir uns unterhalten. Bei der Erwähnung ihres Sohnes huscht sogar ein Lächeln über ihr leicht runzeliges Gesicht. »Er ist ein bisschen älter als Sie beide, glaube ich. Denis
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