Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
dass ich sie gestohlen habe?«, schießt Marco zurück. »Woher sollen wir wissen, dass du sie nicht verkauft hast? Du bist doch die Einzige, die dauernd mitten am Tag verschwindet.«
»Untersteh dich!«, schreie ich Marco an. »Wie kannst du es wagen, mich wegen etwas zu beschuldigen, von dem wir beide - von dem wir alle - wissen, dass du es getan hast!«
»Yo sé, dass du es warst, Penelope!« Marco wirft seine leere Bierflasche in die Spüle, wo sie in Scherben zerspringt. »Yo sé, dass du es warst!«
»Raus hier, Marco!«, brülle ich ihn an. Dabei ist es mir jetzt sogar egal, was die Nachbarn Ivan erzählen. »Sofort raus hier! Wir haben genug! Du bist ein elender Lügner! Geh einfach!«
Ich schiebe Marco zur Tür. Doch da dreht er sich um und schiebt mich zurück. Er ist stärker, als ich dachte. »Lass mich los!«, schreie ich. »Marco, lass mich gefälligst los!«
»Marco, nein!«, ruft Annabel. »Marco, lass sie los!«
Aber Marco hält unerbittlich meine Handgelenke fest. Sie schmerzen schon und ich kann sehen, dass meine Hände sich in seinem eisernen Griff rötlich färben. Mein Herz rast. »Du glaubst, dass ich Sachen verkaufen will, Penelope?« Er schüttelt mich heftig. »Du glaubst, dass ich mir Geld verschaffen will, eh? Wie wäre es dann damit, dass ich deine Geheimnisse verkaufe? Annabel hat mir alles erzählt, Penelope. Wie wäre es, wenn ich sie meistbietend verkaufe? Ich glaube, dafür würde ich einen guten Preis bekommen oder?« Sein olivfarbenes Gesicht ist rot und er grinst mich mit seinen dicken Lippen höhnisch und wütend an.
»Marco, lass sie bitte los«, sagt Annabel weinend und bricht dann in lautes Schluchzen aus. »Tu meiner Schwester nicht weh.«
Endlich lässt mich Marco los. Mir ist ganz schwindelig. Marco nimmt seinen Mantel. Ich drücke meine beiden schmerzenden Handgelenke an die Brust. Annabel stürzt zu mir, um nach mir zu sehen.
»Annabel, das werde ich dir nicht verzeihen. Es hat sich hiermit erledigt, dass ich nett zu dir und deiner puta Schwester bin. Du hast einen schweren Fehler gemacht, indem du mich beschuldigt hast. Ich werde euch beide vernichten!«
»Nein, Marco, nein!«, sagt Annabel. Sie lässt ihre Arme sinken, mit denen sie mich getröstet hat, und versucht, Marco daran zu hindern, wegzugehen. Aber er schleudert sie von sich weg und springt schnell die Stufen hinunter.
Ich halte Annabel davon ab, ihm nachzulaufen. »Stopp, Annabel! Lass ihn gehen!«
Annabel sackt zu Boden und wiederholt dabei immer wieder: »Marco, Marco.« Ich setze mich neben sie. Sie hat abgenommen. Als ich den Arm um sie lege, pikst mich ihre Schulter, so knochig und spitz wie noch nie. Was ist bloß aus uns geworden?
Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist. Annabel und ich hocken auf dem Boden und ich wiege sie in meinen Armen.
Plötzlich klopft es an der Tür. Annabel springt blitzschnell auf.
»Ivan!«, flüstert sie. »Was soll ich ihm nur wegen der Uhr sagen?«
»Lass mich das machen«, sage ich. Ich gehe zur Tür. Ich werde Ivan erzählen, dass mir die Uhr aus Versehen heruntergefallen ist und ich nicht gewusst habe, dass es sich um eine Antiquität handelt. Nicht unähnlich dem, was ich den Marquets nach der Party erzählt habe.
Vor der Tür steht aber gar nicht Ivan, sondern der Typ aus dem Zug. Er trägt noch immer sein Baseball-Käppi.
»Bonjour, PJ«, begrüßt er mich, ohne zu lächeln.
Oh Gott. Das kann nichts Gutes verheißen. »Was machen Sie hier?«, frage ich ihn.
»Und das ist vermutlich deine Schwester?« Ein Schauder überläuft mich, als der Typ Annabel die Hand entgegenstreckt. Woher weiß er, wer sie ist? »Du bist genauso schön wie PJ. Sehr erfreut, dich kennenzulernen.«
»Fass ihn nicht an, Annabel.«
Annabel sieht verwirrt aus. »Wer ist der Mann, PJ?«
»Je m'appelle Denis«, erklärt ihr der Typ. »Denis Marquet.«
Schockiert sauge ich die Luft ein. »Marquet?«
»Oui, Penelope: Marquet.«
Annabel starrt mich entsetzt an. »Kennst du ihn aus Paris, PJ? Woher weiß er von mir?«
»Setz dich bitte«, sage ich zu dem Typen. »Annabel kann dir etwas Wasser bringen, wenn du magst.«
Annabel füllt einen Krug mit Leitungswasser. Der Typ setzt seine Kappe ab, und ich stelle fest, dass er besser aussieht als gedacht. Wie eine jüngere, weniger elegant gekleidete Ausgabe von M. Marquet. Er kann nicht viel älter sein als zwanzig oder einundzwanzig. Sein Haar ist dunkel und glatt, und sein Verhalten hat etwas Aristokratisches. Seine
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