Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
Zähne stehen absolut gerade. Er setzt sich an den Küchentisch. Ich stelle mich an den Herd. Näher möchte ich ihm nicht kommen.
»Was willst du?«, frage ich ihn wieder. »Hast du mich verfolgt?«
»Ich bin gekommen, um dir etwas Wichtiges mitzuteilen«, antwortet er. »Eine Botschaft deiner Gasteltern.«
Meine Kehle ist wie zugeschnürt. »Und was?«, dränge ich ihn. »Raus damit.«
»Die Marquets haben das Gefühl, na ja«, er sieht so aus, als wäre ihm das, was jetzt folgt, etwas unangenehm. »Sie haben dir ein sicheres Heim gegeben, sogar an zwei verschiedenen Orten, trotz deiner Anfälle und deiner ... Vergangenheit in Amerika. Und doch bist du fest entschlossen, sie zu demütigen.«
Annabel nimmt am Tisch Platz. »PJ, worauf will er denn hinaus?«
»Warum hast du überhaupt so lange gebraucht?«, frage ich Denis.
»Du bist gar nicht so einfach zu orten, ma belle.«
»Du willst also, dass ich zu den Marquets zurückkehre. Sie haben dich gebeten, mich zu finden und mir zu sagen, dass ich zurückkommen soll? Damit sie in keinen Skandal verwickelt werden«, sage ich mit zittriger Stimme. Ich räuspere mich und versuche, selbstsicherer zu klingen. »Stimmt das?«
»Stimmt.« Er grinst - es ist ein sonderbares Grinsen, das mich an M. Marquet erinnert. »M. Marquet steht in der Öffentlichkeit. Er wird bald für ein Amt auf Staatsebene kandidieren. Es wäre also für alle Beteiligten besser, wenn du nach Paris und an das Lycée zurückkehrst. Außerdem musst du bei einigen Wahlkampfaktivitäten dabei sein. Im wahren Geist der fraternité werden dich die Marquets als ihre Tochter adoptieren, da deine Drogenbaron-Eltern ja nicht mehr legal für dich sorgen können.«
»Das ist nicht wahr!«, werfe ich ein. »Ich brauche niemanden. Ich bin fast achtzehn. Und meine Eltern sind keine Drogenbarone!«
»Spar dir das für die Behörden auf, PJ«, entgegnet der Typ trocken. »Wenn ich dich richtig verstehe, möchtest du also nicht unter meiner Aufsicht nach Paris zurückkehren. Obwohl ich dich und deine Schwester nach Kräften beschützen würde.«
Annabel blinzelt mich nervös an. »Werden die Marquets mich auch beschützen?«, fragt sie hoffnungsvoll. »Ich muss nicht gegen meine Eltern aussagen, wenn ich jetzt mit dir nach Paris gehe?«
»Ich bin sicher, wenn M. Marquet dich sieht, Annabel, ist er sofort bereit und überglücklich, dich bei sich zu Hause aufzunehmen und sich um jeden Auslieferungsantrag, der vielleicht auf dich zukommt, zu kümmern.« Bedeutungsvoll glucksend blickt der Typ in meine Richtung. »Mein Onkel liebt schöne Frauen.«
Denis beugt sich zu Annabel und berührt sie an der Wange.
»Nein!«, schreie ich und stürze panisch mit dem Wasserkrug in der Hand auf ihn los, stoße ihn vom Stuhl und weg von meiner Schwester. »Fass sie ja nicht an!«
Mit Wucht knallt Denis' Kopf auf den Boden. Seine Augen rollen nach hinten.
»Oh mein Gott!«, kreischt Annabel. »Was hast du getan?«
Ich blicke auf den Wasserkrug in meiner rechten Hand, auf der ein Blutfleck zu sehen ist. Meine Handgelenke sind voller blauer Flecke, dort, wo Marco mich angefasst hat. »Ich weiß es nicht.« Ich erkenne kaum meine eigene Stimme wieder. »Ich weiß es nicht.«
»PJ, er hat Nasenbluten! Ich glaube, er ist ohnmächtig!« Annabel bückt sich und gibt Denis eine leichte Ohrfeige. »Denis! Aufwachen!«
Aber Denis reagiert nicht.
»Ich verstehe das alles nicht, PJ. Was geht hier vor sich?«
»Ich kann einfach ... kann einfach so nicht mehr leben«, sage ich und schwanke. Plötzlich bin ich so erschöpft, dass ich mich kaum mehr aufrecht halten kann. Das Zimmer scheint sich um mich herum zu drehen. Ich blicke auf Denis' schlaffen Körper hinab und frage mich, ob er vielleicht tot ist.
Auf einmal liegt meine Zukunft nur noch wie ein dunkler Tunnel vor mir. Flüchtig sehe ich im Geiste ein Mädchen - es sieht mir ganz ähnlich, nur dass es kurze Haare hat. Es ist das Mädchen, das mir zu Weihnachten eine Mitfahrgelegenheit vermittelt hat, die Kunststudentin. In diesem Augenblick kommt es mir so vor, als wäre dieses alternative Leben, eine ganz andere Realität, zum Greifen nah. Ich könnte sie sein. Ich könnte ein anderes Leben haben als dieses.
Aber ich habe nun mal nur dieses eine. Es ist hoffnungslos. Alles ist so hoffnungslos.
»Was sollen wir jetzt machen?«, fragt Annabel mit schriller, panischer Stimme. Ihre Haut ist leichenblass im Gegensatz zu ihren dunkel schimmernden Haaren.
»Mir egal.« Ich
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