Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
lebt jetzt in Paris, je pense.«
Ich schüttle den Kopf. »Non, ich kenne ihn nicht. Auch Ihren Sohn kenne ich nicht.« Was Marie uns erzählt, bestürzt und verwirrt mich. In den letzten Tagen, seit Thomas und ich nach Cannes aufgebrochen sind, werde ich mir, auch durch das, was Mme Rouille uns über die Marquets erzählt hat, immer sicherer, dass PJ abgehauen ist, weil die Marquets irgendeine Gefahr für sie dargestellt haben. Und jetzt sagt Marie, dass PJ - und ihre Schwester, von der ich gerade zum allerersten Mal höre - mit ihnen auf Familienurlaub ist?
Thomas wirft etwas rau ein: »Les Marquets - sie sind also nicht hier?«
Marie schüttelt den Kopf. »Non, chéri.«
Bei dieser Frau habe ich ein gutes Gefühl. Aus irgendeinem Grund vertraue ich ihr.
Doch da ist noch immer Mme Rouilles Geschichte. Sie wäre nicht so aufgewühlt gewesen, wenn sie nicht wirklich und wahrhaftig glauben würde, dass meine Freundin in großer Gefahr schwebte!
Wir kehren zur Schotterstraße zurück, auf der wir die Vespa am Rand der Zufahrt geparkt haben. Vielleicht ist alles ja gar nicht so schlimm, wie wir denken. Was immer mit PJ los ist - wenn sie tatsächlich bei ihrer Schwester ist, muss sie doch in Sicherheit sein, oder?
»Fuck!«, ruft Thomas plötzlich in die kalte Nacht hinaus und verpasst dem Vespa-Reifen einen Fußtritt, dann noch einen, diesmal fester. »Fuck!!!«
»Thomas!« Schnell laufe ich zu ihm und versuche, seinen schmalen Körper zu umfangen. Er zittert in meiner Umarmung. »Thomas, es ist okay!«
»Nein, es wird nie sein wieder okay!«, sagt Thomas mit steinharter Miene. »Diese Leute, dieser Mann. Er hat Maman wehgetan. Er hat mon père getötet. Mein ganzes Leben - mein ganzes Leben ist eine Lüge wegen dieses Mannes!«
»Thomas, was meinst du damit?«
»Wir sind wegen M. Marquet nach Tunesien gezogen. Das weiß ich jetzt, weil du es mir gesagt hast.« Diesen Satz spuckt Thomas geradezu aus. »Aber ich habe dir nie gesagt, warum ich überhaupt Medizin studiere. Das tue ich nämlich nur für meine Mom, damit sie stolz auf mich sein kann. Ich hasse die Wissenschaft. Ich hasse die Körper, die wir anfassen müssen, die entsetzliche Beleuchtung im Labor. Ich hasse die Lehrbücher und je déteste die anderen Medizinstudenten. Ich mache es nur, weil mein Dad Arzt war, und ich weiß, dass es das Einzige ist, womit ich Maman kann glücklich machen!«
Ich versuche, vernünftig mit ihm zu reden. »Aber Thomas, du musst das doch nicht tun. Diese Sache zwischen deinen Eltern und M. Marquet - das hat nichts mit dir zu tun. Und außerdem ist es vorbei. Es ist lange her.«
Selbst als ich meinen eigenen Worten lausche, weiß ich, wie unmöglich es für Thomas sein wird, die schockierende Wahrheit, die er gerade erst erfahren hat, hinter sich zu lassen. Seine Kindheit in Tunesien, der Tod von M. Rouille - dies alles sind Dinge, über die er sich definiert. Aber anders als gestern oder vorgestern, als ich noch das Gefühl hatte, ihn trösten oder vor seinem Schmerz schützen zu können, stehe ich heute auf verlorenem Posten.
Thomas geht auf der weißen Schotterzufahrt der Marquets in die Hocke und verharrt in dieser Position einige Minuten lang. Ich hocke mich neben ihn und streichle ihm über den Rücken. Er trägt Xaviers Lederjacke. Das lässt ihn nicht taffer aussehen, wie man bei einer Lederjacke denken könnte, sondern unterstreicht sogar noch sein weiches, jung aussehendes Gesicht.
Obwohl wir jetzt so viele Tage hintereinander zusammen verbracht haben, spüre ich, wie eine seltsame Distanz zwischen uns wächst - so als würde ich über Dinge nachdenken, die ich nicht unbedingt mit ihm teilen möchte.
Schließlich richtet sich Thomas wieder auf. Er drückt mir einen leichten Kuss auf die Lippen. »Olivia.«
»Oui?«
»Wir wissen nicht mehr, was wir tun«, sagt er. »Lass uns nach Paris zurückfahren.«
Ich nicke. »Okay.«
Kaum sind wir zu Hause, führen Mme Rouille und Thomas bis spät in die Nacht eine lange Unterhaltung. Ich weiß, dass ich nicht dabei sein muss, und obendrein bin ich unglaublich erschöpft. Also gehe ich mit einer Tasse Kamillentee ins Bett.
Als ich einschlafe, versuche ich, Trost darin zu finden, dass ich, auch wenn ich PJ nicht gefunden habe, mit jemandem gesprochen habe, der sich absolut sicher war, wo sie ist. Außerdem geht übermorgen die Schule wieder los, und bei Marie klang es so, als würde PJ dann auch wieder da sein.
Trotzdem ergibt das Ganze keinen Sinn. Warum hat PJ
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