Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
Zimmer, er sitzt auf dem Bett.
»Hast du Alex gesehen?«, fragt er, kaum dass ich reinkomme. Er sieht völlig mitgenommen aus.
»Nein ...« Ich bin verwirrt, Jay hier zu sehen. Ich dachte, er wäre noch mit Alex in Cannes. Ich wusste nicht, dass sie zurückkommen wollten.
»Liv - vielleicht, äh, setz dich ...« Seine Stimme zittert und er wirkt abgekämpft. Mir fällt plötzlich auf, dass seine Jacke schief zugeknöpft ist. So unordentlich und derangiert habe ich Jay noch nie gesehen.
»Was ist denn, Jay?«
»Du solltest dich vielleicht lieber setzen.« Er fährt sich durch die kurz geschnittenen Haare. »Ich habe -«
»Du kannst es mir doch sagen!«, dränge ich ihn. Er ist so verzweifelt, dass mein Herz anfängt schneller zu schlagen. Ich habe Angst vor dem, was er gleich sagen wird.
»Ich habe ... schlechte Neuigkeiten. Sehr schlechte Neuigkeiten. Wegen PJ.«
26 • ALEX
Das kann nicht wirklich geschehen
Am Sonntagnachmittag mache ich in den Galeries Lafayette und Le Printemps halt. Kaufhäuser haben für gewöhnlich eine tröstliche Wirkung auf mich, aber heute scheinen sie mich mit dem Ausverkauf und den Tiefpreisen ärgern zu wollen. Die Leute, die sich durch die herabgesetzten Artikel wühlen, sehen absolut erbärmlich aus.
Ziellos bummle ich entlang der Grands Boulevards und gelange an die beiden berühmten Tore am östlichen Ende: dem Porte Saint Denis und dem kleineren Tor Porte Saint Martin.
Auf dem Place de la République sehe ich zwei Mädchen aus unserem Programm, sie stammen aus dem Mittleren Westen. Sie trinken vor einer Filiale einer Billig-Bistro-Kette Café au Lait. Sie haben sich dick in ihre Mäntel, Handschuhe und Schals eingemummelt und unterhalten sich so angeregt miteinander, dass sie mich gar nicht bemerken.
Sie müssen beide gerade eben erst von zu Hause zurückgekehrt sein. Ich richte meinen Blick ganz fest woanders hin, sodass ich an ihnen vorbeigehen kann, ohne sie grüßen zu müssen.
Ich fühle mich, als wäre ich im Fegefeuer und warte auf mein Urteil. Um mich herum liegt Paris - diese schöne, wunderbare Stadt, in der sich mein Leben eigentlich zum Guten wenden sollte. Die Stadt, in der ich Zuflucht gesucht habe, einen Neustart machen wollte, kommt mir jetzt vor wie das Tor zu einer neuen Hölle. Hier habe ich alles nur noch viel schlimmer gemacht. Und jetzt werde ich nach Hause fahren müssen. Zurück nach Brooklyn. Zurück in die Schule, auf die auch Jeremy geht. Zurück zu meinem alten Ich.
Die meisten Schüler aus dem »Programme Américain« sind über die Weihnachtstage nach Hause zu ihren Familien gefahren, oder es kamen, wie bei Olivia, die Familien zu ihnen zu Besuch. Einige, wie George und Drew, sind gemeinsam mit ihren Familien verreist und dann noch heimgefahren.
Zack war seit Beginn des ersten Schulhalbjahres felsenfest dazu entschlossen, nicht nach Memphis zurückzukehren, um dort evangelische Weihnachten in der Vorortidylle zu feiern. Ich kann es ihm nicht verdenken! Aber trotzdem frage ich mich ... ob er vielleicht deswegen in Cannes so sauer auf mich geworden ist? War es eine Enttäuschung für ihn, mit mir die Ferien zu verbringen?
Ja, doch, ich weiß es. Seit dem Augenblick, als ich den Schwulenklub verlassen und lieber mit Jay an der Bar gesessen habe, kurz bevor das Neue Jahr eingeläutet wurde, muss Zack gewusst haben, dass ich anfing, mich für Jay zu interessieren. Kalte, schlimme Schuldgefühle zerren an mir. Wie konnte ich nur so rücksichtslos sein? Warum will ich immer Dinge, die mich in so große Schwierigkeiten bringen?
Ich taste nach meiner Fellmütze, um sicherzugehen, dass sie noch immer fest auf meinem Kopf sitzt. Ich will sie wirklich, wirklich nicht verlieren. In gewisser Weise ist sie das Einzige, was ich von meiner Reise mitbringe.
Ich komme am Paris Store vorbei, dem gewaltigen chinesischen Kaufhaus, das dafür bekannt ist, dass hier schöne Keramikwaren für einen Spottpreis verkauft werden. Es gibt auch die verschiedensten Produkte aus ganz Asien: Papayas und Zwiebeln und Brokkoli, die man nicht mal als solche erkennt. Alle französischen Freunde meiner Mom kommen in dieses Viertel, um sich mit dererlei Dingen einzudecken - Seidenschuhe, die sie als Hausschuhe tragen, schöne Lampen und Schals, billige, leckere fettfreie Instantnudelsuppen, die in Stresszeiten schnell zubereitet sind. Sie finden es ganz wunderbar, wenn sie herausfinden, dass eine bestimmte Frucht Falten entgegenwirkt, also kaufen sie gleich ein ganzes Kilo
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