Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
auf und ab. »Lasst uns morgen um sieben vor dem Gare Montparnasse treffen. Dann können wir die Autovermietungen im Erdgeschoss abklappern.«
Sieben Uhr ist zwar ein kleInès bisschen zu früh nach dem vielen Wein, aber die anderen widersprechen nicht. Jay zieht seinen Mantel an und macht sich fertig zum Gehen. Er muss die letzte Metro nach Montreuil bekommen, vor dem nächtlichen Betriebsschluss der U-Bahn. Er winkt uns allen zu, aber Zack würdigt ihn keInès Blickes.
Ich springe von der Couch auf, plötzlich ganz aufgeregt angesichts der vor uns liegenden Aufgabe und begeistert, Paris und meine Probleme hinter mir zu lassen. Ich hole Jay ein, als er gerade Livvys Eingangstür hinter sich zuziehen will.
»Wir werden sie finden«, sage ich mit leiser, aufmunternder Stimme zu ihm. »Mach dir keine Sorgen, ja? Das ist bestimmt nur irgendein seltsames Missverständnis.«
Jay verzieht das Gesicht. »Ich kann sie nicht nicht finden, Alex. Weißt du?«
»Ja, ich weiß.« Ich berühre ihn so an der Schulter, wie er mich vorhin berührt hat. »Ich weiß.«
3 • OLIVIA
Überglücklich
Sie sind weg. Endlich! Zwei Wochen der absolut zermürbenden Familienspannung haben ein Ende.
Das ist mein erster Gedanke, als ich am Morgen aus dem Bett springe. Mein nächster Gedanke gilt der Frage, warum um alles in der Welt das Telefon um sechs Uhr früh klingelt, und das am 26. Dezember. Ich bin allein zu Hause, da Thomas und Mme Rouille noch immer in den Alpen sind.
Angst durchfährt mich und ich renne zum Telefon. Ist es Alex mit schlechten Nachrichten über PJ? Oder sind es meine Eltern, die mir nun doch nicht ihren Segen geben wollen, dass ich in Paris und beim Underground Ballet Theatre bleiben darf?
»Olivia, hier ist Henri«, begrüßt mich eine raue Stimme am anderen Ende der Leitung. Henri?
Ach so, Henri. Ich war gedanklich so absorbiert von meinen Sorgen um PJ, dem gefühlvollen Abschied von meinen Eltern, meiner Trennung von Vince und - noch viel tiefergehend - von der magischen Nacht mit Thomas an Heiligabend in meinem Zimmer, dass ich das Gefühl habe, ich bekomme gar nicht mehr mit, was in der Welt sonst noch so geschieht!
»Bonjour«, sage ich und reiße mich zusammen, damit ich trotz meiner Schläfrigkeit einen professionellen Eindruck mache. Henri ist der Choreograf der Tanzkompanie, bei der ich gerade engagiert wurde. Ich bin die jüngste Tänzerin der Truppe. Er soll auf keinen Fall denken, dass es ein Fehler war, mich aufzunehmen.
»Olivia, bitte entschuldige, dass ich so früh anrufe«, sagt Henri in schnellem Französisch. »Ich bin im Krankenhaus -«
»Was ist mit dir?«, platzt es aus mir heraus. Bitte nicht noch mehr schlechte Neuigkeiten!
»Nein, nein, nicht mit mir«, versichert mir Henri. »Mit Katica. Sie und André haben gestern Abend geprobt, und heute Morgen ist sie mit schrecklichen Rückenschmerzen aufgewacht. Sie hat sich einen Nerv eingeklemmt. Sie kann nicht - kann nicht tanzen.«
Katica ist eine wunderschöne ungarische Tänzerin beim Underground Ballet. Vor meinem inneren Auge sehe ich sofort ihre virtuosen vierfachen Pirouetten vor mir. Ich kann nicht fassen, dass sie verletzt ist. Aber so ist es im Ballett: Ganz plötzlich kann etwas passieren und dann ist Schluss mit dem Tanzen.
»Oh Gott!«, sage ich atemlos. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Ich bin ziemlich verzweifelt, Olivia«, erklärt er mir. »Ich habe alle anderen Solotänzer angerufen und alle erfahrenen Zweitbesetzungen. Aber alle machen gerade Ferien außerhalb von Paris - außer dir.«
Ich versuche, unhörbar auszuatmen. Ich hatte solche Angst gehabt, Henri anzurufen, um ihm zu sagen, dass ich nach Neujahr leider nicht mehr kommen und in der Truppe mittanzen könne. Ich wollte mich einfach davonstehlen. Jetzt bin ich heilfroh, dass ich es nicht getan habe!
»Ich kann das gern übernehmen«, sage ich sofort, ohne genau zu wissen, wofür ich gerade zusage. »Bien sûr.«
» C'est parfait, ma chérie«, entgegnet Henri mit hörbarer Dankbarkeit in der Stimme. »Kannst du heute um zehn im
Proberaum sein? Dort erwartet uns André. Wir haben nicht viel Zeit, dich auf die Aufführung vorzubereiten.«
Ich bin verwirrt. Die Tänzer haben alle Pause bis nach Neujahr. Was proben wir denn eigentlich?
Henri merkt, dass ich still geworden bin. »Die Silvestergala«, erklärt er mir. »Du musst in der Revue Bohème tanzen.«
Die Revue!
Das Duett für die Benefizgala, bei der mehrere avantgardistische Kompanien der
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