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Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe

Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe

Titel: Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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Skifahrer.
    »Olivia, tu connais Maman.« Er lacht. »Maman ist den ganzen Tag im salon du thé und tauscht Klatschgeschichten.«
    »Richte ihr aus, dass ich sie bereits vermisse«, sage ich liebevoll. Und es stimmt wirklich.
    Ich klemme mir das Telefon zwischen Ohr und Schulter. Weil Thomas mich nicht sehen kann, wandere ich glücklich strahlend in der leeren Küche umher. Wenn er heimkommt, werde ich natürlich ganz cool reagieren.
    »Was machst du heute?«, fragt mich Thomas nach ein paar schweigsamen Augenblicken.
    »Ach du lieber Himmel!«, kreische ich. »Ich muss los! Ich habe ganz vergessen, dir zu erzählen - also, es hat sich ja auch gerade eben erst ergeben -, dass ich zu Silvester in der Revue Bohème tanzen werde! Ich muss zur Probe!«
    Ich knalle den Hörer auf die Gabel, zu erschrocken, um mir Gedanken darüber zu machen, ob ich gerade die neue Liebe meInès Lebens vor den Kopf gestoßen habe. Aber gehört das nicht zu den Dingen, die ich sowieso am meisten an Thomas mag? Künstlerische Aktionen rechtfertigen es, jemanden am Telefon abzuwürgen. Thomas bedeutet die Kunst sehr viel mehr als gute Manieren.
    Ich blicke zu einem Foto von Thomas auf dem vorderen Tischchen hinüber, wo Mme Rouille immer ihre Schlüssel und die Post ablegt. Fast küsse ich das Glas des Bilderrahmens. Aber nur fast. So durchgeknallt bin ich dann auch wieder nicht.
    Selbst in der Metro mache ich noch Aufwärmübungen. Das sieht sicher seltsam aus, aber ich möchte, dass meine Muskeln schön weich und locker sind, damit ich die Probe heute gut überstehe. Mir ist klar, dass sie außerordentlich intensiv wird. Zwischen den Haltestellen der U-Bahn-Linie 5 mache ich langsame Pliés und höre immer nur kurz auf, wenn die Türen sich öffnen. Die U-Bahn braucht eine halbe Ewigkeit, kein Wunder, bei der üblichen Nachweihnachtsmüdigkeit und dem nassen Schmuddelwetter. Die Dehnübungen helfen mir dabei, mich zu entspannen und mich davon abzulenken, wie spät ich vielleicht schon dran bin.
    Während ich panisch ins Studio stürze, ziehe ich mir schon meine Warm-ups aus und schüttle Arme und Beine. Ich bin zwar schon ziemlich locker, aber damit versuche ich auch, meine Angst zu verbergen. Im letzten Jahr habe ich zwar in ein paar professionellen Gruppenchoreografien getanzt, aber es ist lange her, dass ich - fernab von meiner Highschool-Tanzabteilung in San Diego - als Solotänzerin aufgetreten bin. In dieser Choreografie gibt es überhaupt nur zwei Tänzer - und ich bin einer von ihnen.
    Da kommt Henri mit meinem Tanzpartner André im Schlepptau herein. Durch seine Irokesenfrisur würde Henri überall herausstechen, sogar unter den ganzen hippen Tänzern vom Underground wusste ich auf den allerersten Blick, dass er der Leiter ist. Er gehört einfach zu den Menschen, zu denen alle gleich aufschauen. Nie muss er beim Training zur Ordnung rufen - alle lauschen gebannt auf jedes Wort, das er sagt.
    Als Henri sieht, wie ich mich in der Ecke dehne, legt er die Hände flach aneinander und verbeugt sich in meine Richtung.
    »Danke für ton dévouement zum Underground, Olivia«, sagt er. »Sollen wir dann anfangen?«
    »Klar.« Ich nicke. »Wo willst du mich haben?«
    »Du stehst hier«, sagt Henri. »Und André ist da drüben.« Er zeigt auf Markierungen auf dem Studioboden.
    Rasch gehen wir die einzelnen Schritte durch. André und ich beginnen weit unten, die Gesichter fast bodennah, und schlängeln uns dann wellenförmig nach oben, wobei wir einander zugewandt stehen und die Bewegungen unseres Gegenübers spiegeln. Die Bewegungen, die Henri sich ausgedacht hat, sind groß und ausladend und haben sehr viel mehr vom Modern Dance als vom Ballett.
    »Schau ihn die ganze Zeit an, Olivia«, weist mich Henri an, während er uns beobachtet. »Du unterbrichst nie den Blickkontakt, ganz egal was passiert.«
    Am härtesten ist für mich eine Abfolge auf acht Taktschläge, bei der André und ich die Hände aneinanderlegen, als würden wir das Gewicht an den anderen abgeben, um uns aufrecht zu halten, während wir beide auf einer einzigen Zehe eInès Fußes stehen. Henri will, dass unser Standbein gebeugt ist und das Spielbein so ausgestreckt, dass es sich auf Kopfhöhe befindet. Diese Position fühlt sich komisch an, es dauert eine Weile, bis ich meinen Schwerpunkt finde. Im gegenüberliegenden Spiegel kann ich sehen, dass mein Gesicht aus Verlegenheit und Frust puterrot angelaufen ist. Als ich es endlich schaffe, klatscht Henri begeistert in die

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