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Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe

Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe

Titel: Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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bunt angestrichene Fachwerkhäuschen auf, die ihren Teil zu der idyllischen, aber auch leicht unheimlichen Atmosphäre des Ortes beitragen. Im Geiste sehe ich Ritter und Burgen vor mir, Bauern und Städter mit schmutzigen Kleidern und schlechten Zähnen. Die Touristen hier saugen alles begierig in sich auf. Es ist noch nicht mal wirklich Vormittag und trotzdem wimmelt das Kopfsteinpflaster in allen Himmelsrichtungen von Menschen. Lauter kleine Jeanne-d'Arc-Püppchen stehen in den Schaufenstern der Geschäfte.
    Als ich am Ende der Straße die gotische Kathedrale erblicke, bin ich baff. Sie ist riesig - größer als Notre-Dame, ja größer als irgendeine der vielen prächtigen Kirchen in Paris. Die belebte Straße erlaubt eine ungehinderte Sicht auf das Meisterwerk aus geschnitztem Sandstein, das alles rings herum überstrahlt.
    Irgendwie habe ich das Gefühl, sie von irgendwoher zu kennen.
    Dann fällt mir ein, warum der Name Rouen mir so vertraut vorkam, als ich ihn in Annabels Buch eingekringelt gesehen habe: Claude Monet hat eine Bilderserie der Cathedrale Notre-Dame de Rouen gemalt, und auch wenn ich noch nie ein großer Fan der Impressionisten gewesen bin, war ich doch, als ich den Werken einmal gegenüberstand, beeindruckt, wie Monet es geschafft hat, die ganze Erhabenheit mit seinen unscharfen Strichen einzufangen. Während seine anderen Arbeiten mir immer eher verschwommen erschienen sind und sich in der Erinnerung halb auflösen, mochte ich diese Serie schon immer gern, weil sie auffallend, eindrucksvoll und anders ist.
    Mir kommt wieder mein frühmorgendlicher Traum in den Sinn: Jay und ich im Monet-Raum im Louvre. Monet! Mein Unterbewusstsein muss es also schon gewusst haben.
    »Oh wow«, sage ich atemlos und zustimmend lächeln mich Touristen an, von denen die meisten Englisch verstehen.
    In Madame Bovary hat Emma es so arrangiert, dass sie ihren Liebhaber Leon hier traf. Hier, wo sie Gott um Hilfe bat.
    Leise gehe ich mit angehaltenem Atem in die Kirche.
    Annabel, ich weiß, dass du ganz in der Nähe bist, versuche ich ihr in Gedanken mitzuteilen. Bitte lass meine Intuition recht behalten.
    Ich mache einen Rundgang durch die Kathedrale. Ich besuche jede der kleinen Kapellen in der Hoffnung, dass sich Annabel vielleicht dort aufhält. In der letzten gönne ich meinem müden Körper auf einem der kleinen Stühle Rast. Ich lasse mein Kinn auf die Brust sacken und schließe die Augen, sodass meine Haare zu beiden Seiten des Gesichts hinabfallen.
    Ich bin mir nicht sicher, wie viel Zeit vergangen ist, aber nach längerer Stille spüre ich plötzlich jemanden hinter mir. Ich kann mich nicht umdrehen, so sehr wächst die Hoffnung in meiner Brust.
    Könnte das Annabel sein? Weiß sie vielleicht, dass sie mich hier treffen soll? So, wie Emma und Leon sich in dieser Kirche getroffen haben?
    Aber hinter mir steht nicht Annabel, sondern ein Priester. »Zeit zu gehen, mon enfant. Die Kirche schließt gleich.«
    Zurück auf dem sich nun rasch leerenden Kathedralen- Vorplatz habe ich Bauchschmerzen vor Hunger. Ich muss unbedingt etwas essen.
    In der Nähe befindet sich ein Bistro mit Kaffee, Sandwiches und auch, wie ich feststelle, Internet. Ich kaue auf einem Brot mit Butter und Marmelade herum, aber es schmeckt nach nichts.
    Ich habe Annabel noch nicht gefunden. Langsam bekomme ich Angst.
    Ich frage, ob ich einen Computer benutzen darf. Es dauert eine Weile, bis ich mir darüber klar geworden bin, was ich in der E-Mail schreiben will.
    Jay,
    ich bin so verwirrt. Erschöpft.
    Ich hätte nicht gedacht, dass das so schwer werden wird. Aber eigentlich weiß ich gar nicht genau, was ich mir vorgestellt habe...
    Bitte: Was immer Du machst, verständige nicht die Polizei oder Mme Cuchon. Das musst Du mir versprechen.
    Sag mir, dass Du mir helfen wirst, wenn nötig. Ich kann das Ganze durchstehen, wenn Du mir nur das zurückschreibst.
    PJ
    Noch bevor ich zweimal darüber nachdenken kann, habe ich schon auf SENDEN gedrückt. Dann klicke ich auf die E-Mail, die ich gerade geschrieben habe, nur um sie immer und immer wieder durchzulesen, bis sie gar keinen Sinn mehr ergibt.
    Schließlich geschieht es nicht oft, dass man in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung treffen muss, die das eigene Leben unwiderruflich verändern kann, und man dann eine Ewigkeit darüber nachdenkt, ob es nun die richtige war oder nicht.
    Als ich aus dem Haus am Place des Ternes geflohen bin, hatte ich nur einen Gedanken: nichts wie weg von den Marquets.

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