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Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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wenn du nicht zur Probe gehen würdest, ich könnte nicht faul herumhängen, glaube ich.«
    »Ach echt?«, frage ich neckisch. »Du würdest also wirklich lieber lernen, als mit mir faul herumzuliegen?«
    »Ja, Olivia, ich wirklich muss lernen!«, sagt er. Er hat nicht gemerkt, dass ich ihn nur ein bisschen aufziehen wollte. Das ist bei Thomas manchmal so. Keine Ahnung, ob das ein kultureller Unterschied ist oder ob Thomas es einfach nicht leiden kann, wenn man ihn hochnimmt. Jetzt gerade hat er seine Mundwinkel nach unten gezogen, so als fühle er sich wirklich vollkommen missverstanden. Thomas schließt seine Augen mit den langen, fast mädchenhaft langen Wimpern, als wäre er total genervt.
    Sofort umarme ich ihn ein bisschen fester, damit diese komische Stimmung zwischen uns verfliegt. »Tut mir leid, ich weiß, dass du lernen musst. Es ist nur so, dass wir uns in letzter Zeit nicht viel gesehen haben ... und du fehlst mir.«
    Thomas studiert Medizin an der Sorbonne, einer Universität mit hervorragendem Ruf. Man nennt sie auch die Harvard-Universität Frankreichs. Er muss unentwegt lernen, um mitzukommen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ein Großteil von Thomas' Anstrengung daher rührt, dass er überhaupt Medizin studiert und es eigentlich gar nicht will. Er hegt keinerlei Leidenschaft für dieses Fach. Die Dinge, die ihn interessieren - Philosophie, Literatur, Lyrik, Kunst spielen keine Rolle in seinen Kursen. In den Weihnachtsferien habe ich herausgefunden, dass Thomas nur deshalb Medizin studiert, weil sein Dad Arzt war und weil Thomas glaubt, dass es der Herzenswunsch seiner Mutter ist.
    »Dieses Semester ist sehr wichtig«, verkündet er. »Ich möchte nicht hinterherhinken.«
    »Wichtiger als ich?«, rutscht es mir heraus. Sofort bereue ich meine Worte. Seit meinen vereinzelten Anrufen, auf die Thomas seit Semesterbeginn nie reagiert hat, ist meine Zeit mit ihm so, als würde ich auf einer schiefen Ebene eine dreifache Pirouette drehen - ich fühle mich unsicher, als ob ich die Kontrolle verlieren würde. Ich presse ein gezwungenes Lachen heraus, um das Ganze als Scherz abzutun.
    »Olivia«, sagt Thomas. »Lass das.«
    Meine Zehen, die aus der Bettdecke herausschauen, sind mit einem Mal kribblig kalt. Thomas' Körper fühlt sich nicht mehr warm und einladend an.
    Ich spüre das gleiche Unbehagen, das einen manchmal mitten in der Nacht überkommt, wenn die Bettdecke nicht genug wärmt, aber man keine Lust hat aufzustehen, um sich einen Pulli überzuziehen.
    »Was denn?«, frage ich, plötzlich wieder genauso verschnupft und verärgert wie schon vor wenigen Minuten.
    »Immer solche Forderungen an mich. Es wird sehr schwierig langsam, die Uni und dich auszubalancieren«, sagt Thomas.
    »Mich auszubalancieren?«, rufe ich und versuche jetzt gar nicht mehr, meinen Unmut zu unterdrücken. Bei der unerwarteten Empörung in meiner Stimme setzt er sich auf und windet sich unbehaglich, so als wollte er mich abschütteln. »Tut mir leid, dass ich nur etwas bin, um das du dich zusätzlich zu allem anderen kümmern musst!« Ich bin den Tränen nahe und rücke so weit von ihm ab, wie ich kann, ohne noch mehr Haut zu zeigen. »Weißt du was?«, sage ich. »Ich werde jetzt zur Probe gehen, okay?« Ich greife nach meiner übergroßen karierten Bluse und ziehe sie mir über meinen Tanz-BH und meine Leggings.
    »Du bist unvernünftig«, sagt Thomas und die Direktheit, mit der er sich äußert, die wahrscheinlich daher kommt, dass er nicht dieselbe Muttersprache spricht wie ich, versetzt mir einen Stich.
    »Wie dem auch sei«, entgegne ich. »Magst du mir dann einfach eine SMS schreiben, wenn du bei deinem Studium und bei allem anderen, was du so ausbalancieren musst, wieder aufgeholt hast?« Ich warte, dass Thomas darauf nicht nur mit einem Schulterzucken reagiert.
    »Ich werde dir eine SMS schreiben«, sagt Thomas schließlich, aber es klingt nicht sehr überzeugend. Bevor ich aus seinem Studentenwohnheimzimmer gehe, küsst er mich. Dabei fällt mir zum ersten Mal auf, wie rau und rissig seine Lippen sind.
    Zur Probe laufe ich sehr langsam und mit gesenktem Blick. Ich möchte nicht, dass mich irgendwelche Wildfremden auf der Straße weinen sehen. Bestimmt sehe ich ziemlich komisch aus, wie ich so heulend durch das 5. Arrondissement schlurfe.
    Der Gedanke, Thomas zu verlieren, ist beklemmend, nicht nur weil ich ihn liebe, sondern auch weil er der Einzige in Paris ist, in dessen Gegenwart ich mich im Moment wohlfühle.

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