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Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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sich mir zu und schürzt ihren knallig bemalten Mund. »Olivia, ist das eine Freundin von dir?«
    »Ja«, hauche ich und habe fast Angst, meine Hand nach PJ auszustrecken und sie zu berühren. Aber ich schaffe es dann doch, ein kleines Stückchen näher an sie heranzugehen und den Stoff des Sweatshirts, das sie trägt, mit den Fingern zu betasten. Das Sweatshirt hat ein großes V vorne drauf... Das habe ich doch neulich schon mal irgendwo gesehen? »PJ, sag mal«, setze ich an und schüttle den Kopf, um alles wieder klar und scharf zu sehen. »Was ist passiert? Wie bist du hergekommen? Wo hast du gesteckt?«
    »Sag ihr, dass sie es nicht machen soll«, flüstert PJ mit schreckgeweiteten Augen. Es ist gar nicht so einfach, mich von ihr zu lösen - ich war so überzeugt davon, dass sie für immer fort sein würde. Ich möchte weiter ihre kalten Hände berühren, den Stoff des Sweatshirts, das sie trägt. Sie soll auf keinen Fall wieder verschwinden! »Sag ihr, dass ich es nicht übers Herz bringe. Er möchte es so gern, aber ich kann nicht.«
    »Du kannst was nicht, PJ?«, frage ich. Ich spreche mit ihr so, wie ich mit Brian sprechen würde: nicht allzu sehr von oben herab, aber trotzdem ganz sanft und liebevoll. Ich schaue auf ihre Beine, die in schmutzigen Jeans stecken und sich kein bisschen bewegen, ganz steif sind. PJ war schon immer ein bisschen wie ein Bohemian, aber in so verdreckten Klamotten habe ich sie noch nie gesehen. »Wen meinst du? Ist Jay auch hier?« Ich blicke mich mit gerecktem Hals um, aber ich kann Jay nirgends entdecken.
    Marni hat eine scharfe, glänzend silberne Schere in der Hand und hält sie nach unten auf PJs weißblonde Mähne gerichtet. »Sie ist reingekommen und wollte, dass ich ihr eine transformation gebe so wie dir. Sie hat mir auch schon Geld gegeben. Aber jetzt - sie will es nicht.« Marni verzieht verwirrt und halb verärgert die knallrot bemalten Lippen. »Ich darf nicht mal in die Nähe der Haare kommen.«
    »Livvy, deine Haare sehen echt schön aus«, sagt PJ kleinlaut. Ihr laufen Tränen über die Wangen. »Aber das ist einfach zu viel. Zu anders. Jay sagt, dass ich es tun muss, aber ich kann einfach nicht.«
    Ich schaue erst von PJ zu Marni und dann wieder zurück zu PJ. Das ist garantiert der surrealste Tag in meinem Leben.
    »Marni«, sage ich in meinem respektvollsten und höflichsten Französisch. »Mon amie ist durcheinander. Sie braucht etwas Zeit, um über so eine extreme Verwandlung nachzudenken. Könnten wir vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt wiederkommen?«
    Marni seufzt. »D'accord.« Sie reicht PJ ein eingerolltes Bündel Geldscheine, und PJ schiebt es schnell in die Tasche ihrer schmutzigen Jeans. »Was für eine Zeitverschwendung«, höre ich Marni leise auf Französisch murmeln, während sie sich abwendet und weggeht.
    »Komm, PJ, lass uns gehen«, sage ich und ziehe sie an ihrer eiskalten Hand aus dem Stuhl. Zurück auf der Straße vor dem Laden fährt sie angesichts der vielen Menschen und des grellen Sonnenscheins sofort herum, so als wolle sie am liebsten gleich wieder im Laden verschwinden.
    Aber ich halte sie fest. »PJ, was ist? Was ist los?«
    »Livvy, du darfst keinem sagen, dass du mich gesehen hast, okay?«, sagt sie zu mir. »Keiner Menschenseele!«
    Noch immer verwirrt führe ich sie von Marnis Schaufenster weg.
    »Okay«, entgegne ich. »Das werde ich nicht tun.«
    »Ich meine es ernst, Livvy.« Sie sieht jetzt noch ängstlicher aus als gerade eben beim Anblick von Marnis scharfer Schere.
    »Ich verspreche es.«
    PJ holt tief Luft und nickt. Andauernd berührt sie ihre Haare, als handle es sich um eine Art Schmusedecke. Ich umarme sie. »Ich bin froh, dass du sie dir nicht abgeschnitten hast.«
    »Ich habe das Gefühl, als wären sie das Letzte, was ich noch habe«, sagt PJ leise. »Das einzige Überbleibsel des Menschen, der ich war. Ich habe schon so viel aufgegeben.«
    »Mach dir keine Sorgen, PJ«, sage ich, auch wenn ich noch immer nicht alles verstehe, und führe meine Freundin aus der sich rasch füllenden Fußgängerzone. Es kommt mir vor, als würde ich ein sehr hochaufgeschossenes schönes Kind durch die belebten Straßen des 2. Arrondissements führen. Währenddessen erfüllt mich unwillkürlich große Dankbarkeit, nicht nur weil sie zurück ist, sondern auch weil ich so erleichtert bin, nicht allein sein zu müssen, nach allem, was heute Morgen auf der Pont des Arts geschehen ist.
    Diese heftige Gereiztheit, diese Unzufriedenheit,

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