Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
Vom Netzwerk:
Perverser!
    – Kommt, den verprügeln wir. Er ist ganz bestimmt ein Perverser.
    – Er schnüffelt an den Händen von den Mädchen.
    – Er schnüffelt an den eigenen Händen.
    – Komischer Typ.
    Dann stand F. neben mir, der große F., er bürgte für meine Herkunft und führte mich aus dem Park, einem ganz normalen Park, wie ich nun sah, mit Schwänen und Bonbonpapier. Noch einmal legten wir uns die Arme um die Schultern und schlenderten die sonnige Straße hinab.
    – F., sagte ich unglücklich. Ich bin nicht gekommen. Ich habe es wieder nicht geschafft.
    – Stimmt nicht, Liebling, du hast bestanden.
    – Was bestanden?
    – Den Test.
    – Welchen Test?
    – Den vorletzten Test.

48.
    Let the cold wind blow / as long as you love me / East or West / I can stand the test / as long as you love me. Das war Nummer sieben in der Westküstenhitparade, es ist lange, lange her. Ich glaube Nummer sieben. Der Titel besteht aus sechs Wörtern. Die 6 wird von Venus bestimmt, dem Planeten der Liebe und der Schönheit. Nach der irokesischen Astrologie ist der sechste Tag der Körperpflege gewidmet, man lässt sich die Haare machen und zieht aufwendig geschmückte Kleider mit eingewobenen Muscheln an, man bemüht sich um das andere Geschlecht und nimmt an Glücksspielen oder Ringkämpfen teil. What ’ s the reason I ’ m not pleasing you? Irgendwo in der Hitparade. Heute ist ein eiskalter 6. März. Mit Frühling hat das in den kanadischen Wäldern noch nichts zu tun. Zwei Tage hat der Mond im Widder gestanden. Morgen tritt er in den Stier ein. Die Irokesen würden mich umbringen, wenn sie mich jetzt sehen könnten, ich habe nämlich einen Bart. Als sie irgendwann im siebzehnten Jahrhundert den Missionar Jogues gefangen nahmen, bestand eine der milderen Folterungen (gerade erst hatte ihm ein algonquinischer Sklave den Daumen mit einer Muschelklinge abgehackt) darin, dass man den Kindern erlaubte, ihm mit den Fingern die Barthaare zu ziehen. »Schick mir ein Bild von Christus ohne Bart«, schrieb der Jesuit Garnier an einen Freund in Frankreich und verriet so, dass er bestens über die Sonderbarkeiten der Indianer Bescheid wusste. F. hat einmal von einem Mädchen erzählt, das mit einem derart gewaltigen Busch gesegnet war, dass es ihr mit täglichem Bürsten gelang, ihn beinahe zwanzig Zentimeter längs der Oberschenkel herabfallen zu lassen. Knapp unterhalb ihres Nabels malte sie mit flüssigem, schwarzem Eyeliner zwei Augen auf und Nasenlöcher. Unmittelbar über der Klitoris teilte sie das Haar und zog es in zwei Bögen auseinander, wodurch der Eindruck eines Schnurrbarts über spitzen, rosafarbenen Lippen entstand, von denen der übrige Haarwuchs als Bart herabhing. Ein eigens angefertigter Nabelring, der Eingeweihten ihre Kaste zu verraten schien, rundete das komische Bild eines exotischen Wahrsagers oder Mystikers ab. Es gefiel ihr, den restlichen Teil ihres Körpers unter einem Laken zu verstecken und F. in parodistischem Vortrag mit den damals so beliebten östlichen Weisheiten zu vergnügen, ihre Stimme unter dem Bettlaken sprach die Rolle mit bauchrednerischer Sicherheit. Wieso habe ich keine Erinnerungen dieser Art? Was nützen mir all deine Geschenke, F., die Seifensammlung, die Bücher voller weiser Worte, wenn deine Erinnerungen nicht Teil dieses Erbes sind, Erinnerungen, die deinen langsam dahinrostenden Hinterlassenschaften eine Art Bedeutung verleihen würden? Kommen nicht auch alte Dosen und Autowracks zu neuen Ehren, wenn man sie in einer edlen Galerie aufstellt? Was habe ich von deinen ganzen esoterischen Lehrreden, wenn ich die Umstände nicht kenne, unter denen du sie entwickelt hast? Ihr wart mir zu exotisch, du und all die anderen Lehrer, ihr mit euren Atemtechniken und wissenschaftlichen Erfolgsrezepten. Und wenn wir Asthma haben? Und wenn wir Verlierertypen sind? Was ist mit uns, die wir nicht ordentlich scheißen können? Was ist mit uns, die wir keine Orgien gefeiert, die wir nicht bis zum Überdruss gefickt haben, wovon sollen wir uns frei machen? Was ist mit uns, die wir am Boden zerstört sind, weil unsere Freunde unsere Frauen gefickt haben? Was ist mit denjenigen, die so sind wie ich? Was ist mit uns, die wir nicht im Abgeordnetenhaus sitzen? Was ist mit uns, die wir am 6. März grundlos frieren? Du hast damals den Telefontanz getanzt. Du hast gehört, was in Ediths Innerem vorging. Und was ist mit uns, die nur in totem Gewebe stochern? Was ist mit uns Historikern, die immer nur die gemeinen

Weitere Kostenlose Bücher