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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
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Verlangen angeheizt hatte.
    – Kant hat gesagt: Wer sich zum Wurm macht, soll nicht klagen, wenn er getreten wird. Sekou Touré hat gesagt: Sie können sagen, was Sie wollen, der Nationalismus ist psychologisch unabwendbar, wir sind alle Nationalisten! Napoleon hat gesagt: Eine Nation hat alles verloren, wenn sie ihre Unabhängigkeit verloren hat. Die Geschichte entscheidet, ob Napoleon diese Worte vom Balkon herab an die Massen richtet, oder ob er am Fenster seiner Hütte steht und zusieht, wie sie aufs trübe Meer hinausgetragen werden!
    Diese virtuose akademische Darbietung überforderte die Menge, die Reaktion war verhalten. Doch gerade in diesem Moment entdeckte ich aus dem Augenwinkel heraus F., der von einigen jungen Männern auf die Schultern gehoben wurde. Jubel brach los, als er erkannt wurde, der Redner beeilte sich, die spontane Begeisterung in die aufgebrachte Orthodoxie zu überführen, die er angefacht hatte.
    – Wir haben einen Patrioten unter uns! Einen Mann, der nicht zulässt, dass die Engländer ihn in ihrem eigenen Parlament durch den Dreck ziehen!
    F. glitt in das ehrerbietige Knäuel zurück, das ihn hochgehoben hatte. Er ballte die Faust, sein Arm war ausgefahren wie ein U-Boot-Periskop. Sofort setzte der Redner, jetzt beinahe selbst schon singend, seine Rede fort, die eine neue, mystische Dringlichkeit erhalten hatte durch die Anwesenheit des Altgedienten. Wir ließen uns von seiner Stimme streicheln, wie meine Finger sie, wie ihre mich streichelten, sein klingendes Wort fiel über unser Verlangen wie Wasser über ein ächzendes Mühlrad, ich verstand jetzt, dass wir alle, nicht nur das Mädchen und ich – dass wir alle gemeinsam kommen würden. Unsere Arme waren verschlungen, zusammengepresst, ich wusste nicht mehr, ob es meine Hand war, die an der Wurzel meines Schwanzes lag, ob sie es war oder ich, der ihre angeschwollenen Schamlippen glitschig rieb! Jeder von uns hatte Arme wie Plastic Man, der sich wie eine Folie dehnen konnte, wir standen eng umschlungen, nackt von der Hüfte abwärts, dicht an dicht in einem Froschlaich aus Schweiß und Saft, die süßeste Girlande aus Gänseblümchen, die sich je ergossen hat.
    – Blut! Was bedeutet uns Blut?
    – Blut! Gebt uns unser Blut zurück!
    – Fester, fester!, rief ich und erntete böse Blicke.
    – Vom Anbeginn unserer Rasse ist uns dieses Blut, dieser schattige Strom des Lebens, Nahrung und Schicksal gewesen. Das Blut erhält unseren Körper, und das Blut ist die Quelle, aus der der Geist unserer Rasse sprudelt. Im Blut verbirgt sich das Erbe der Ahnen, sein Strom ist der Gang unserer Geschichte, aus dem Blut erblüht die Blume unseres Ruhms, das Blut ist die Tiefenströmung, die nicht umgeleitet werden kann und die all ihr gestohlenes Geld nicht trockenlegen wird.
    – Gebt uns unser Blut zurück!
    – Her mit unserer Geschichte!
    – Vive la Républic!
    – Jetzt nicht aufhören!, rief ich.
    – Elizabeth Go Home!
    – Weiter!, flehte ich. Bis! Bis! Encore!
    Die Versammlung begann, sich aufzulösen, die Girlande hing in Fetzen. Der Redner war von seinem Sockel gestiegen. Plötzlich sah ich sie alle vor mir. Sie waren im Begriff, zu gehen. Ich fasste sie am Kragen, packte ihre Säume.
    – Bleibt noch hier! Lasst ihn weiterreden!
    – Geduld, citoyen, die Revolution hat begonnen.
    – Nein! Lasst ihn weiterreden! Niemand verlässt den Park!
    Die Menge ließ mich stehen und wälzte sich hinaus. Sie hatten genug. Die Männer grinsten, wenn ich sie am Kragen packte, sie schrieben es revolutionärem Kampfgeist zu, als ich begann, sie zu beschimpfen. Anfangs lachten die Frauen, deren Hände ich fasste, um sie auf Spuren meines Schamhaars zu untersuchen, ich suchte sie, das Mädchen, das mich zum Tanz aufgefordert hatte, das Mädchen, dessen kreisrunde Schweißfossilien auf meinem Rücken prangten.
    – Geht noch nicht! Bleibt hier! Riegelt den Park ab!
    – Lass meine Hand los!
    – Hör auf, mir an der Jacke rumzufummeln!
    – Wir müssen wieder an die Arbeit!
    Ich flehte drei kräftige Männer mit QUÉBEC LIBRE -Sweatshirts an, mich auf die Schultern zu heben. Ich versuchte mich mit dem Fuß an einem Hosenbund abzustützen, um auf ihre Sweatshirts zu klettern und von hoch oben auf die in Auflösung befindliche Familie einzureden.
    – Hilf mir mal, der Typ hat einen Schuss weg!
    – Sieht aus wie ein Engländer!
    – Sieht aus wie ein Jude!
    – Aber ihr dürft noch nicht gehen! Ich bin noch nicht gekommen!
    – Das ist ein

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