Beautiful Losers
Kopf des Heiligen schlug mit einer solchen Wucht gegen eine Treppenstufe, dass er vom Körper getrennt wurde. Und aus dem Hals schoss frisches Blut! Der Heilige Johannes Vianney wurde 1859 begraben. Sein Körper war unversehrt, als er 1905 exhumiert wurde. Unversehrt: Kann auf Unversehrtheit eine Liebe gründen? Der Körper des Heiligen Franziskus Xavier wurde 1552, vier Jahre nach seiner Beerdigung, ausgegraben, er hatte noch seine natürliche Farbe. Eine natürliche Farbe – genügt das? Der Heilige Johannes vom Kreuz, gestorben 1591, sah neun Monate nach seinem Tod noch ziemlich gut aus. Als man ihm die Finger abschnitt, blutete er. Dreihundert Jahre später (oder etwas weniger), nämlich 1859, war sein Leichnam unversehrt. Nur unversehrt. Der Heilige Joseph Calasanticus starb im Jahr 1649 (im selben Jahr, in dem jenseits eines weiten Ozeans Lalemant von den Irokesen verbrannt wurde). Seine Eingeweide wurden entnommen, aber nicht einbalsamiert. Herz und Zunge sind bis zum heutigen Tag unversehrt, über den Rest ist nichts bekannt. Meine Küche im Souterrain war sehr stickig, manchmal sprang der Ofen von selbst an, weil der Timer defekt war. F., ist das der Grund, warum du mich diesen gefrorenen Baumstamm hinaufgeführt hast? Es gibt kein Parfüm, das mir Angst macht. Die Indianer sahen in Krankheiten einen Ausdruck unerfüllter Wünsche. Töpfe, Felle, Pfeifen, Wampums, Angelhaken, Waffen wurden vor dem Kranken auf einen Haufen geworfen, »in der Hoffnung, dass in der Vielfalt das Desideratum enthalten sei«. Oft geschah es, dass der Patient träumte, was ihm Genesung verschaffen würde. Seinen Forderungen verweigerte man sich nicht, »egal wie extravagant, sinnlos, ekelerregend oder abscheulich sie auch waren«. O Himmel, mach mich zu einem kranken Indianer. Welt, schenk mir die Träume des Mohawk. Nicht die feuchten, die in der Wäsche enden. Ich besitze gewisse Informationen über die Sexualität der Indianer, die Himmelspsychiatrie ist, ich würde sie gern dem Teil meines Gehirns verkaufen, der an Lösungen interessiert ist. Wenn ich sie an Hollywood verkaufen würde, dann wäre Hollywood ihr Ende. Ich ärgere mich, und mir ist kalt. Ich drohe, Hollywood ein Ende zu machen, wenn ich nicht unverzüglich von einem Geist geliebt werde, einem, der nicht nur unversehrt ist, sondern von überwältigendem Wohlgeruch. Ich werde der Filmindustrie ein Ende machen, wenn es mir nicht bald besser geht. In naher Zukunft werde ich das Kino in ihrem Viertel zerstören. Ich werde die Spätvorstellung hinter Milliarden Vorhängen verbergen. Ich mag meine Situation nicht, sie ist schwierig. Warum muss ich derjenige sein, der Finger abschneidet? Muss ich die Skelette auf Syphilis testen? Viel lieber wäre ich die Kinderleiche, der einzige Sohn, der von ungeschickten Ärzten getragen wird, dass sich sein dreihundert Jahre altes Blut über die Betontreppe ergießt. Ich wäre viel lieber das Licht im Sein. Warum bin ich derjenige, der F.s alte Zunge sezieren muss? Die Indianer haben das Dampfbad erfunden. Das ist nicht so wichtig.
49.
Catherine Tekakwithas Onkel sah im Traum, was ihm Genesung verschaffen würde. Das Dorf beeilte sich, seinen Anweisungen Folge zu leisten. Was er verlangte, war nicht ungewöhnlich, es galt als probates Mittel. Sagard und auch unser Lalemant haben den Vorgang, der aus verschiedenen Dörfern bezeugt ist, beschrieben. Der Onkel sagte:
– Bringt mir alle jungen Mädchen des Dorfs.
Die Dorfbewohner gehorchten auf der Stelle. Man holte die schönsten Mädchen aus den Maisfeldern, man rief die süßesten Weberinnen, und wer nicht arbeitete, kam mit halb geflochtenen Zöpfen. Sie alle mussten sich an seinem Bärenfell aufstellen: »Toutes les filles d’vn bourg auprès d ’ vne malade, tant à sa prière.«
– Seid ihr alle da?
– Ja.
– Ja.
– Klar.
– Jaja.
– Ja.
– Hier.
– Ja.
– Ich bin hier.
– Ja.
– Aber klar.
– Hier.
– Hier.
– Ja.
– Anwesend.
– Ja.
– Ich denke schon.
– Ja.
– Sieht so aus.
– Ja.
Der Onkel lächelte zufrieden. Dann stellte er jeder eine alte Frage: »On leur demand à toute, les vnes apres les autres, celuy qu’elles veulent des ieunes hommes du bourg pour dormir auec elles la nuict prochaine.« Ich sehe es als meine Pflicht an, die Quellen zu zitieren, da ich befürchte, dass meine Trauer den Tatsachen gelegentlich Gewalt antut. Ich will die Tatsache als solche auf keinen Fall gegen mich aufbringen, denn ich kann mir nicht
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