Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
dankbar, dass Daniel und seine Pflegeeltern aus dem Süden wegkommen, solange sie noch können, ohne Gefahr zu laufen, vielleicht festgehalten und eingesperrt zu werden!«, sagte Emily.
Noch am selben Tag schrieb Becky ihrem Bruder an die Adresse in Pleasantville, weil sie davon ausgehen konnte, dass Daniel und die Cormicks inzwischen schon wieder auf ihrer Farm eingetroffen waren, hatte der Brief aus Savannah doch gute zwei Wochen bis nach Winchester gebraucht. Voller Ungeduld wartete sie auf eine Antwort. Doch der Brief, der Anfang Juli aus Pleasantville eintraf und den Harvey ihr auf die Farm brachte, kam nicht von Daniel, sondern von Helen Cormick. Und was sie ihr schrieb, stürzte Becky in große Angst um ihren Bruder.
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S CHLECHTE Nachrichten?«, fragte Harvey, der mit ihr im Schatten der Scheune saß und ihrem Gesicht ansah, dass es mit dem Brief von Daniels Pflegemutter eine besondere Bewandtnis haben musste. »Nun sag schon! Was schreibt sie? Und warum hat sie und nicht dein Bruder dir geantwortet?«
»Weil Daniel im Begriff steht, eine riesengroße Dummheit zu begehen! Aber lies selber, was sie schreibt«, sagte Becky und reichte ihm den Brief.
Mit einem Ausdruck wachsender Bestürzung las Harvey, was Helen Cormick ihr geschrieben hatte.
Werte Miss Becky Brown,
ich sehe mich genötigt, diesen Brief an Sie zu verfassen, weil ich in großer Sorge um Ihren Bruder bin. Seit unserer Rückkehr aus Savannah ist mit Daniel nichts Rechtes mehr anzufangen. Ständig redet er davon, sich einer Gruppe von Freiwilligen anzuschließen, um in den Krieg gegen den Süden zu ziehen. Ich bedaure, sagen zu müssen, dass Ihr Bruder unter dem üblen Einfluss von Charley Sullivan steht, der wohl die Triebfeder in dieser unsäglichen Angelegenheit ist. Mein Mann und ich haben alles in unserer Macht Stehende versucht, um Ihren Bruder zur Vernunft zu bringen und ihn zu veranlassen, sich diese Dummheit aus dem Kopf zu schlagen. Ich befürchte jedoch, dass unsere Reden nicht den gewünschten Erfolg haben. Er treibt sich noch immer mit Charley auf dem Exerzierplatz herum, wo die Freiwilligen aus Pleasantville und Umgebung sich treffen und ihre Übungen veranstalten. Der Himmel weiß, was er tun wird, wenn die Truppe sich zum Abmarsch rüstet. Zum Glück fehlt es diesen Männern, die es nicht erwarten können, in den Krieg zu ziehen, noch an der nötigen Ausrüstung, um gen Osten aufbrechen zu können. Ich schreibe Ihnen das alles, weil ich mir keinen anderen Rat weiß und nun hoffe, dass Sie umgehend nach Pleasantville kommen können, um Ihren Bruder davor zu bewahren, sich diesen Männern anzuschließen. Auf Sie wird er wohl hören, spricht er doch so oft voller Liebe und Bewunderung von Ihnen. Bitte kommen Sie schnell! Jeder Tag kann das Unglück bringen, das mein Mann und ich nicht abwenden können!
Es grüßt Sie
Helen Cormick
Harvey ließ den Brief sinken. »Dein kleiner Bruder will mit einer Truppe Freiwilliger in den Krieg ziehen? Das kann doch nicht wahr sein!«, stieß er ungläubig hervor. »Er ist doch noch keine vierzehn! Und das ist das Mindestalter, sogar für einen Drummerboy, wenn ich mich nicht sehr täusche!«
»Als ob sich darum einer kümmern würde, ob jemand wie mein Bruder ein falsches Alter angibt!«, erwiderte Becky, die ahnte, dass Daniel sich einfach älter machen würde. Und sie erinnerte sich auch sofort daran, dass er ihr schon im vergangenen Jahr geschrieben hatte, wieder ein gutes Stück gewachsen und kräftig in den Schultern geworden zu sein. Mehr als zwei Jahre hatten sie sich nicht gesehen, und ihr kleiner Bruder war offenbar längst nicht mehr so klein und schmächtig, wie sie ihn in Erinnerung hatte.
»Und was hast du jetzt vor?«, fragte Harvey und reichte ihr den Brief zurück.
»Das kannst du dir doch denken! Ich werde natürlich auf der Stelle nach Pleasantville fahren und Daniel gehörig zusammenstauchen!«
Er machte ein bedrücktes Gesicht. »Kannst du nicht ein paar Tage damit warten, bis es meinem Vater wieder besser geht und ich mit dir fahren kann?«
»Nein!«, sagte Becky und schüttelte heftig den Kopf. »Ich werde morgen den ersten Zug in Madisonville nehmen, der mich nach Pleasantville bringt! Aber dazu brauche ich deine Hilfe, denn ich werde Winston und Emily nichts davon sagen, dass ich zu meinem Bruder fahre!«
»Wie bitte?« Ungläubig sah er sie an. »Das kannst du doch nicht machen!«
»Doch, ich muss es machen!«, erwiderte Becky entschlossen. »Ich
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