Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
konnte. Und dass Emily ihrem Mann nicht widersprochen und nicht darauf bestanden hatte, sie wieder zurück in die Obhut der Children’s Aid Society zu geben, wollte sie ihr als eine Art von Güte hoch anrechnen.
Becky wusste, welche Hausarbeiten am Morgen zuerst zu verrichten und einer Hausfrau besonders lästig waren. Deshalb zündete sie in der Küche ein Kerzenlicht an, das auf der Anrichte stand, und machte sich dann daran, die Asche aus dem Herd zu schaufeln. Dabei befleißigte sie sich größter Umsicht, weder Dreck noch Lärm zu verursachen. Als der Ascheneimer randvoll war, griff sie zu Kienspänen und machte Feuer. Dabei sah sie, dass der Vorrat an Feuerholz neben dem Herd dringend aufgefüllt werden musste. Eine weitere gute Aufgabe für sie!
Feuchte Morgenfrische schlug ihr entgegen, als sie mit dem schweren Ascheneimer aus dem Haus kam. Über ihr funkelten noch die Sterne. Doch im Osten kündigte sich nun schon der neue Tag mit einem ersten fahlen Lichtschimmer an, vor dem das tiefe Dunkel der Nacht über der Horizontlinie nur sehr zögerlich zu weichen begann.
Als sie den Ascheneimer ausgeleert hatte, fiel ihr ein, dass sie auch gleich zum Gehege der jungen Hühner gehen und sie aus ihrem Verschlag lassen konnte, so wie Winston es ihr aufgetragen hatte. Morgentau hatte das Gras schwer getränkt. Er legte sich auf ihre Schuhe und nässte den Saum ihres Kleides, als sie über die kleine, mit Drahtzaun eingefasste Wiese ging. Sie öffnete die Brettertür und ließ die Küken heraus, die auch sofort mit der Ungeduld und Entdeckungsfreude junger Geschöpfe ins Freie eilten.
Mit einem Arm voll Feuerholz kehrte Becky so leise ins Haus zurück, wie sie hinausgegangen war. Sie unternahm noch mehrere Gänge zum Holzschuppen, um in dem schwarzen Eisengestell neben dem Herd Holzscheite bis obenhin aufzuschichten, und peinlichst achtete sie darauf, dass sie ihre Schuhe jedes Mal sorgfältig mit einem Lappen abputzte, bevor sie wieder die Küche betrat.
Ihr blieb auch noch Zeit genug, um zwei Mal zum Brunnen zu gehen und den Wassertrog auf der anderen Seite der Herdstelle aufzufüllen. Als sie von oben Stimmen und das Knarren von Bodendielen hörte, legte sie Holz nach und setzte den Wasserkessel auf.
Wenig später erschien Emily in der Küche und war sichtlich überrascht, als sie Becky sah. »Du bist schon auf?«
»Ja, ich bin es gewohnt, früh aufzustehen... und ich wollte mich schon ein wenig nützlich machen«, sagte Becky schüchtern. »Ich habe schon mal die Asche ausgeräumt, Feuer gemacht und frisches Wasser und neues Feuerholz geholt. Ich hoffe, das war recht so.«
Emily bedachte sie mit einem verblüfften Blick und schien einen Moment nicht zu wissen, was sie darauf erwidern sollte. »So?… Nun ja, recht ist es schon«, sagte sie dann.
Winston kam durch die Tür. Er hatte gehört, was Becky zu seiner Frau gesagt hatte, und er strahlte sie freudig an und lobte sie überschwänglich.
»Nun mach mal nicht so viele Worte darum, Winston! Es ist ja wohl nur recht und billig, dass sie bei der Arbeit hilft«, sagte Emily. Dann jedoch setzte sie noch versöhnlich hinzu: »Aber es ist schon eine gewisse Beruhigung, dass sie nicht zwei linke Hände hat und weiß, was in einem Haushalt zu tun ist. So, und jetzt reich mir die Pfanne von dort drüben. Und dann kannst du schon mal den Tisch decken.«
So köstlich und reichhaltig, wie das Abendessen gewesen war, erwies sich auch das Frühstück im Haus der Newmans. Es kamen knusprig braun gebratener Speck mit Rührei auf den Tisch, frisch gebackene Bisquits, die Emily im Handumdrehen aus dem Ofen holte, sowie goldgelbe Butter und eingemachte Marmelade. Dazu gab es Kaffee, so würzig und herrlich süß, wie Becky ihn noch nie zuvor getrunken hatte.
»Du kannst mit mir gleich nach Winchester fahren, Becky«, teilte Winston ihr mit, als sie ausgiebig gefrühstückt hatten und Emily schon abzudecken begann. »Das ist hier die nächste Ortschaft. Ich muss mit dem Pflug zum Schmied.«
»Ich dachte, Madisonville ist der nächste Ort?«
»Nein, Madisonville ist wegen der Bahnstation zwar um einiges größer als Winchester, aber dorthin fahren wir nur, wenn besondere Einkäufe und Erledigungen anstehen«, erklärte er. »Nach Winchester ist es nur eine gute halbe Stunde. Dorthin fahren wir sonntags auch zum Gottesdienst. Madisonville ist dafür einfach zu weit.«
»Musst du sie wirklich nach Winchester mitnehmen?«, fragte Emily. »Es gibt hier genug Arbeit, die
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