Bedenke Phlebas
»Ehrlich, nichts von all dem erweckt Zuversicht.
Mein Rat würde lauten…« Er brach ab, als Horza ihn
böse anfunkelte. »Hmm«, sagte er, »schon gut,
lassen wir das fürs erste.« Er schwebte seitlich zur
Tür hinaus.
»Scheint alles okay zu sein«, meldete Wubslin, ohne
jemanden im besonderen anzusprechen. Er richtete sich vor der Konsole
auf und nickte vor sich hin. »Ja, das Schiff ist jetzt wieder
normal.« Er drehte sich um und lächelte die anderen drei
an.
Sie wollten ihn holen. Er war in einer Sporthalle und spielte
Schwebeball. Er hatte gemeint, hier sicher zu sein, in allen
Richtungen von Freunden umgeben (für eine Sekunde schienen sie
wie eine Wolke aus Fliegen vor ihm zu tanzen, aber er lachte das weg,
fing den Ball, warf ihn und erzielte einen Punkt). Und doch kamen sie
dorthin, um ihn zu holen. Er sah sie kommen, zwei waren es, aus einer
Tür, die in den engen Kamin der sphärischen, gerippten
Halle eingelassen war. Sie trugen Mäntel ohne Farbe und
hielten geradewegs auf ihn zu. Er versuchte, wegzuschweben, aber sein
Energie-Harnisch war tot. Unfähig, in irgendeiner Richtung
weiterzukommen, hing er mitten in der Luft fest. Er versuchte, durch
die Luft zu schwimmen und sich aus dem Harnisch zu winden, um ihn auf
sie zu werfen – um sie vielleicht zu treffen und sich selbst
bestimmt in die Gegenrichtung zu schleudern –, doch da fingen
sie ihn.
Keiner der Leute um ihn nahm davon Notiz, und ihm wurde
plötzlich klar, daß sie nicht seine Freunde waren,
daß er nicht einen einzigen von ihnen kannte. Sie faßten
seine Arme, und auf einmal, ohne daß sie an etwas vorbei oder
durch etwas geflogen wären, obwohl sie ihm das Gefühl
vermittelten, sie seien um eine unsichtbare Ecke gebogen an einen
Ort, der immer da, aber außer Sicht war, befanden sie sich in
Dunkelheit. Ihre farblosen Mäntel zeigten sich in der
Schwärze, wenn er wegblickte. Er war machtlos, in Stein
eingeschlossen, aber er konnte sehen und atmen.
»Helft mir!«
»Dazu sind wir nicht hier.«
»Wer seid ihr?«
»Das weißt du.«
»Ich weiß es nicht.«
»Dann dürfen wir es dir nicht sagen.«
»Was wollt ihr?«
»Wir wollen dich.«
»Warum?«
»Warum nicht?«
»Aber warum mich?«
»Du hast niemanden.«
»Was?«
»Du hast niemanden.«
»Was meint ihr?«
»Keine Familie. Keine Freunde…«
»… keine Religion. Keinen Glauben.«
»Das ist nicht wahr!«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich glaube an…«
»Was?«
»Mich!«
»Das ist nicht genug.«
»Jedenfalls werdet ihr es nie finden.«
»Was? Was finden?«
»Genug. Tun wir es jetzt.«
»Was?«
»Wir nehmen dir deinen Namen.«
»Ich…«
Und gemeinsam faßten sie in seinen Schädel und
nahmen ihm seinen Namen.
Er schrie.
»Horza!« Yalson schüttelte seinen Kopf, ließ
ihn von dem Schott am Kopfende des schmalen Bettes abprallen.
Schubweise wurde er wach. Das Wimmern erstarb ihm auf den Lippen.
Sein Körper war für einen Augenblick angespannt, dann
erschlaffte er.
Er streckte die Hände aus und berührte die pelzbedeckte
Haut der Frau. Sie legte die Hände hinter seinen Kopf und zog
ihn an ihre Brust. Er sagte nichts, aber sein Herzschlag beruhigte
sich und paßte sich dem ihren an. Sie wiegte ihn sanft, dann
schob sie seinen Kopf weg, beugte sich vor und küßte seine
Lippen.
»Ich bin wieder in Ordnung«, versicherte er ihr.
»Es war nur ein Alptraum.«
»Über was?«
»Nichts.« Er legte den Kopf wieder an ihre Brust,
schmiegte ihn zwischen ihre Brüste wie ein großes,
zerbrechliches Ei.
Horza hatte seinen Anzug an. Wubslin saß auf seinem
üblichen Platz. Yalson besetzte den Copiloten-Sessel. Sie trugen
alle Anzüge. Schars Welt füllte den Schirm vor ihnen aus,
die Bauch-Sensoren der CAT sahen senkrecht nach unten auf die
Sphäre aus Weiß und Grau und vergrößerten
sie.
»Noch einmal«, sagte Horza. Wubslin strahlte die
aufgezeichnete Botschaft zum dritten Mal ab.
»Vielleicht benutzen sie diesen Code nicht mehr«,
überlegte Yalson. Ihre Augen unter den scharfgezeichneten Brauen
wichen nicht von dem Schirm. Sie hatte ihr Haar auf einen Zentimeter
Länge geschnitten, so daß es kaum dichter war als der
Flaum, der ihren Körper bedeckte. Die bedrohliche Wirkung stand
im Widerspruch zu der Kleinheit ihres Kopfes, der aus dem
großen Kragen des Anzugs hervorschaute.
»Er ist traditionell, mehr eine Zeremonialsprache als ein
Code«, antwortete Horza. »Sie werden sofort Bescheid
wissen, wenn sie ihn hören.«
»Bist du sicher,
Weitere Kostenlose Bücher