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Bedenke Phlebas

Bedenke Phlebas

Titel: Bedenke Phlebas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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spürte, wie sie
ihr entglitt.
    Vielleicht fühlte sie sich zu sicher, dachte sie. Vielleicht
lag es daran, daß es im Augenblick keine unmittelbare Bedrohung
gab. Der Kampf um das Kommando-System war vorbei, die Suche verlief
sich im Sande, die Spannung der letzten paar Tage ließ
nach.
     
    Xoxarle arbeitete schnell. Der dünne, feine Strahl des Lasers
summte über jedem Draht, ließ ihn rot, gelb und weiß
werden, und wenn der Idiraner dann die Muskeln anspannte, riß
er mit einem knipsenden Geräusch. Der alte Mann, der vor den
Füßen des Idiraners lag, regte sich, stöhnte.
    Die schwache Brise war eine kräftige geworden. Staub wehte
unter den Zug und wirbelte um Xoxarles Füße. Er hielt den
Laser über ein weiteres Bündel Drähte. Nur noch ein
paar. Er sah zur Spitze des Zuges hinüber. Da war immer noch
kein Zeichen von den Menschen oder der Maschine. Er spähte
über die Schulter in die andere Richtung nach dem letzten Wagen
des Zuges und der Lücke zwischen ihm und der Tunnelmündung,
durch die der Wind pfiff. Er konnte keine Lichter sehen, noch kein
Geräusch hören. Der Luftstrom fühlte sich kalt an
seinen Augen an.
    Er fuhr in seiner Arbeit fort, die Drähte zu zerschmelzen.
Der Wind faßte die Funken, verteilte sie über den Boden
des Bahnhofs und den Rücken von Avigers Anzug.
     
    Typisch: Wie üblich tue ich die ganze Arbeit, dachte
Unaha-Closp. Er zog ein weiteres Kabelbündel aus dem Schacht.
Der Gang hinter ihm füllte sich allmählich mit
abgeschnittenen Stücken und blockierte den Weg, der den Roboter
zu dem engen Rohr geführt hatte, in dem er jetzt arbeitete.
     
    Es ist unter mir. Ich kann es fühlen. Ich kann es
hören. Ich weiß nicht, was es macht, aber ich kann
fühlen, ich kann hören.
    Und da ist noch etwas… ein anderes
Geräusch…
     
    Der Zug war ein langes, gegliedertes Geschoß in einer
gigantischen Kanone, ein metallener Schrei in einer gewaltigen Kehle.
Er rammte durch den Tunnel wie ein Kolben in der größten
jemals hergestellten Maschine, fegte um die Kurven und in die
Geraden, seine Scheinwerfer überfluteten einen Augenblick lang
den Weg vor ihm, er schob eine kilometerlange Luftsäule vor sich
her, als sei sie seine heulende, brüllende Stimme.
     
    Staub hob sich von dem Bahnsteig, bildete Wolken in der Luft. Eine
leere Getränkedose fiel von der Palette, wo Aviger gesessen
hatte, klapperte über den Bahnsteig auf die Spitze des Zuges zu,
stieß ein paarmal gegen die Wände. Xoxarle sah es. Der
Wind zerrte an ihm, die Drähte brachen. Er bekam das eine Bein
frei, dann ein zweites. Sein anderer Arm war draußen, und die
letzten Drähte fielen von ihm ab.
    Ein Stück Plastikfolie hob sich wie ein schwarzer, flacher
Vogel von der Palette und flatterte der Dose hinterher, die jetzt
schon halbwegs durch den Bahnhof gerollt war. Xoxarle bückte
sich schnell, faßte Aviger um die Mitte, und den Mann
mühelos auf dem einen Arm tragend, den Laser in der anderen Hand
haltend, rannte er den Bahnsteig hinunter auf die Wand neben der
blockierten Tunnelmündung zu, wo der Wind stöhnend an der
schrägen Rückseite des Zuges vorbeipfiff.
     
    »… sie auch statt dessen beide hier unten einsperren. Du
weißt, das können wir…«, sagte Yalson.
    Wir sind nahe am Ziel, dachte Horza. Er nickte Yalson
geistesabwesend zu und hörte gar nicht hin, wie sie
begründete, warum er sie bei der Suche nach dem Gehirn brauche. Wir sind nahe am Ziel, dessen bin ich sicher. Ich kann es
fühlen, wir sind fast da. Irgendwie haben wir – habe
ich – alles zusammengehalten. Aber es ist noch nicht
ausgestanden, und da ist nur ein winziger Irrtum, ein Versehen, ein
einziger Fehler notwendig, und es ist Pleite, Versagen, Tod. Bisher
haben wir es geschafft, trotz der Fehler, aber es ist so leicht,
etwas falsch zu machen, irgendein Detail in der Masse von Daten nicht
zu entdecken, das später – wenn man es vergessen hat, wenn
man ihm den Rücken kehrt – nach oben kriecht und
einen erledigt. Das Geheimnis bestand darin, daß man an
alles denken oder – weil die Kultur vielleicht recht hatte und
das im wörtlichen Sinne nur eine Maschine konnte – so auf
das Geschehen abgestimmt sein mußte, daß man automatisch
an alle wichtigen und potentiell wichtigen Dinge dachte und den Rest
ignorierte.
    Mit einer Art von Schock kam es Horza zu Bewußtsein,
daß seine eigene Besessenheit, niemals einen Fehler zu machen,
immer an alles zu denken, dem fetischistischen Drang, den er an der
Kultur so verabscheute,

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