Bedroht
saubere.«
Anna holte eins und spülte seine Hand erneut unter kaltem Wasser ab. Das Blut floss nicht mehr so stark. Vorsichtig zog sie die Wundränder auseinander.
»Vielleicht ist es doch nicht so tief. Halt die Hand unters Wasser. Hast du Jod?«
Er schüttelte den Kopf.
»Alkohol?«
»Ich trinke nicht.«
»Okay«, sagte sie und drehte den Hahn zu.
Sie tupfte seine Hand mit Küchenkrepp ab und knotete dann das Handtuch fest um die Wunde. Dann forderte sie ihn auf, sich an den Küchentisch zu setzen.
»Wir haben noch nicht über die Arbeit gesprochen«, meinte Erik.
»Nein. Ich weiß auch nicht, was für einen Sinn das haben soll.«
»Wie meinst du das?«
»Ich finde einfach, dass wir nicht zusammenarbeiten sollten.«
»Du und ich, meinst du?«
Anna antwortete nicht.
»Was soll ich dann tun?«, fragte Erik. »Ich muss diesen Auftrag erfolgreich ausführen. Ich bin neu. Du kannst dir wahrscheinlich nicht vorstellen, wie wichtig das für mich ist. Mit wem soll ich sonst reden?«
Anna betrachtete ihre Hände, die rot von seinem Blut waren. Sie ging zur Spüle und wusch sie.
»Maile mir deine Fragen, ich werde sie dir beantworten. Damit begnügen wir uns. Okay?«
Sie sah ihn an und schüttelte bekümmert den Kopf.
»Du darfst so was nicht tun. Das macht mir Angst, verstehst du?«
Er nickte. Sie umarmte ihn rasch.
»Ich muss gehen.«
Anna konnte nicht verbergen, dass sie so schnell wie möglich wegwollte. Sie lief eilig die Treppen hinunter. Erik stand in der Tür und lauschte ihren verklingenden Schritten. Dann kehrte er in die Wohnung zurück, stellte sich ans Fenster und sah sie aus dem Haus treten und über die Straße hasten.
Sie drehte sich nicht einmal um.
Erik ging zum Bücherregal und nahm das T-Shirt heraus, das so ausgesehen hatte, als sei es zufällig dort gelandet. Er schaltete die dahinter verborgene Webkamera aus, holte den Computer und beendete die Aufnahme. Das hatte er schon tun wollen, als sie ihn unterbrochen hatte.
Er klickte auf Play .
22
»Du brauchst mich nicht abzuholen«, sagte Kathrine. »Ich nehme den Bus.«
»Nein, Mama, ich hole dich ab«, sagte Anna, den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, weil sie gerade den Kühlschrank einräumte. »Ich muss ohnehin was in Väla besorgen.«
»Das musst du dann aber vorher erledigen«, sagte ihre Mutter. »Da setze ich keinen Fuß rein.«
Anna musste fast lachen.
»Was hast du nur gegen das Einkaufszentrum?«
»Es ist furchtbar da.«
»Ich wollte aber noch in den Weinladen dort.«
»Warum gehst du nicht in den Weinladen in der Drottninggatan?«
»Da findet man nie einen Parkplatz.«
»Ich bleibe im Auto sitzen.«
»Okay. Dann hole ich dich zuerst ab.«
Anna legte auf und sah, dass ihre Tochter das Gespräch belauscht hatte.
»Ich will mitkommen und Oma abholen.«
»Nein, Liebling. Heute nicht.«
»Aber ich will nach Väla.«
»Wir fahren aber nicht nach Väla.«
»Das hast du aber gesagt.«
»Oma will da nicht hin, also fahre ich zu einem anderen Weinladen. Wir beide können ja morgen Nachmittag nach Väla fahren. Jetzt ist zu wenig Zeit.«
Hedda seufzte enttäuscht, fügte sich aber in ihr Schicksal. Anna zog ihre Jacke an und ging zum Auto. Sie klopfte ans Badezimmerfenster, das gekippt war, damit der Wasserdampf entweichen konnte.
»Ich fahre und hole Mama ab«, rief sie.
»Okay«, antwortete Lukas, der in der Dusche stand.
Anna setzte sich ins Auto und fuhr rückwärts von der Einfahrt. Langsam fuhr sie durch das Wohnviertel und hob gelegentlich die Hand, um jemanden zu grüßen.
Kathrine wartete vor ihrem Haus in der Kopparmöllegatan. Sie stieg ein und küsste Anna auf die Wange.
»Hallo.«
»Ich verstehe wirklich nicht, was du gegen Väla hast.«
Kathrine schüttelte sich.
»Das Shoppingcenter ist ein Mekka der Hässlichkeit. Ich weigere mich, da reinzugehen. Väla hat die Stadt kaputt gemacht. Bald haben wir hier amerikanische Zustände. Große Parkplätze, Tristesse und übergewichtige Menschen.«
»Ja, Mama«, sagte Anna belustigt.
Sie fuhr durch die engen Straßen Richtung Stadt, hielt in einer Ladezone und schaltete den Kultur-Sender ein, damit ihre Mutter sich nicht langweilte. Als sie zurückkam, klang Hip-Hop aus den Lautsprechern.
Anna sah sie an.
»Das machst du nur, um mich zu ärgern.«
Kathrine wiegte den Kopf im Takt der Bässe und schaltete dann aus.
»Okay«, sagte sie. »Lass hören.«
»Was?«, erwiderte Anna.
»Was du auf dem Herzen hast.«
Anna zog den Kopf ein
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