Bedroht
»Schön für sie.«
»Wie alt sind die Kinder?«
»Welche Kinder?«
»Die von deinem Freund. Du hast gesagt, er hätte zwei.«
»Wie alt? Drei und fünf.«
»Und sie heißen?«
»Saga und Max. Wieso?«
Er schüttelte lachend den Kopf.
»Du glaubst wirklich im Ernst, ich wäre hierhergefahren, um dir hinterherzuspionieren? Meinst du nicht, dass du deine eigene Bedeutung ein wenig überbewertest?«
Anna schwieg.
»Na hör mal«, meinte Erik. »Muss ich mir Sorgen machen? Was hätte ich davon?«
»Wer ist älter?«
»Wie?«
»Von den Kindern. Mats oder Saga?«
»Mats? Er heißt Max. Wer tauft sein Kind heute schon noch Mats?«
Erik seufzte und fuhr fort:
»Sie«, sagte er. »Das Mädchen ist älter.«
»Saga?«
Er nickte verärgert.
»Zufrieden?«
Anna entspannte sich.
»Entschuldige«, sagte sie.
»Kein Problem.«
Erik schaute weg. Anna streckte den Arm aus und stupste ihn freundschaftlich an.
»Ich will dir nicht wehtun, aber ich habe eine Familie, und ich liebe meinen Mann.«
Er nickte grimmig.
»Für dich ist es anders«, sagte sie.
Er sah sie an.
»Was weißt du schon darüber?«, erwiderte er fast aggressiv und entfernte sich demonstrativ.
Anna eilte hinter ihm her, baute sich vor ihm auf und verstellte ihm den Weg.
»Entschuldige«, sagte sie. »Ich wollte dich wirklich nicht verletzen.«
Wie ein ungerecht behandeltes Kind wandte er sein Gesicht ab.
»Erik … bitte. Das war dumm von mir. Entschuldige, bitte.«
Er sah sie an.
»Kannst du dir vorstellen, wie das ist, auf diese Weise angeklagt zu werden? Warum sollte ich dich verfolgen? Erklär mir das. Warum zum Teufel sollte ich dich verfolgen?«
Anna starrte auf den Asphalt.
»Entschuldige«, sagte sie. »Ich war nur so überrumpelt, dich hier zu sehen.«
»Nein, aber ganz automatisch denkst du das Schlimmste von mir«, meinte Erik.
Er holte tief Luft.
»Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest«, sagte er. »Ich habe noch einen langen Weg vor mir. Ich laufe mindestens eine Stunde in die Stadt, und meine Laune ist nicht die beste.«
Er ging an ihr vorbei. Anna blieb zurück, etwas Unausgesprochenes auf den Lippen.
26
»Das hat ja Ewigkeiten gedauert.«
Lukas stand in der Unterhose vorm Waschbecken und putzte sich die Zähne.
»Der Bus hatte Verspätung«, sagte Anna.
Ihr Mann spuckte den Schaum ins Becken.
»Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
Darum bist du auch gerade auf dem Weg ins Bett, dachte Anna.
»Ich habe sogar angerufen«, fuhr Lukas in vorwurfsvollem Ton fort.
»Ich hatte das Handy nicht dabei.«
»Das habe ich dann auch gehört.«
Er wischte sich mit einem Handtuch über den Mund und lächelte Anna an.
»Wenn du auf deine alten Tage so wirst wie deine Mutter, beklage ich mich nicht.«
Anna lächelte und drückte Zahncreme auf ihre Zahnbürste. Sie betrachtete sich im Spiegel, während sie sich die Zähne putzte. Wie viele Frauen sah sie nur die Fehler und Mängel, das, was vom Ideal abwich. Sie überlegte, ob Lukas wohl auch die Haut vor den Ohren nach hinten zog und ob ihm die Kummerfalten zwischen den Augen Bauchschmerzen bereiteten, die zunehmenden Furchen von der Nasenwurzel zu den Mundwinkeln. Wahrscheinlich nicht.
27
Erik ging zu seinem Auto, das er eine Straße weiter geparkt hatte, und fuhr nach Hause. Er hatte keinen Plan gehabt, wollte nur mal einen Blick aus der Ferne riskieren. Als Anna das Haus verlassen hatte, um ihre Mutter zum Bus zu begleiten, hatte er seine Chance gewittert.
Er wusste nicht, was er erwartet hatte. Ob er überhaupt etwas erwartet hatte. Natürlich hatte er gehofft, dass sie sich freuen würde, ihn zu sehen. Etwas anderes hatte er sich gar nicht vorstellen können.
Stattdessen hatte sie ihn zur Rede gestellt. Was er dort zu suchen habe? Wen er besucht habe? Wie die Kinder hießen?
Ihre Reaktion war erniedrigend gewesen.
Er fand einen Parkplatz am Nordhafen, ging nach Hause und schaltete den Computer ein. Er hatte das Video bereits unzählige Male angesehen, bekam aber nicht genug davon.
Sie war total theatralisch. Typisch Frau. Unkontrollierte Leidenschaft, tierische Instinkte, die sie von ihrer Verantwortung und Schuld befreiten. Am liebsten machten sie es stehend an der Wand.
Umschlungen und halb nackt tauchten sie auf dem Bildschirm auf. Küsse und Leidenschaft, eine rasche Inspektion des Körpers des anderen, beide geschmeichelt von der Erregung des Gegenübers. Der tiefe, befriedigte Seufzer, als er in sie eindrang.
Ihre vulgäre
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