Bedroht
gerissenen Verkäufer. »Ein oder zwei Tausend könnte ich schon runtergehen. Aber bedenken Sie, dass er vergleichsweise wenige Kilometer auf dem Tacho hat, und der Zustand ist so gut wie neu …«
»Ich verstehe.«
»Es gibt noch weitere Interessenten«, meinte Lukas. »Falls Sie ernsthaft interessiert sind, sollten Sie sich schnell entscheiden.«
»Falls ich mich für den Wagen entscheide, rufe ich heute Abend vor acht Uhr an. Ist das okay?«
»Natürlich, einverstanden.«
Erik streckte seine Hand aus. Erst ergriff Lukas sie, dann Anna. Es blieb ihr nichts anderes übrig.
»Nett, Sie noch einmal getroffen zu haben«, sagte Erik. »Auf Wiedersehen.«
Er setzte sich in sein Auto und fuhr davon.
»Netter Bursche«, meinte Lukas. »Dass du ihn nicht wiedererkannt hast?«
»Ich habe ihn nur mit halbem Auge wahrgenommen.«
»So einen Schönling?«
45
Lukas ging unruhig auf und ab und schaute auf sein Handy.
»Er ist vermutlich nicht interessiert«, meinte Anna vom Sofa.
»Scheint so«, meinte Lukas widerstrebend. »Seltsam. Ich dachte wirklich, er hätte angebissen.«
»Offenbar nicht.«
Sie schaute Richtung Fernseher, weil sie nicht wusste, ob sie dem Blick ihres Mannes standhalten konnte.
»Na ja, auch egal«, meinte er.
Er setzte sich neben Anna.
»Ich glaube, ich wäre ein guter Autoverkäufer. Im Autohaus herumstiefeln und mit den Kunden schwafeln, das würde mir liegen.«
»Vielleicht solltest du den Beruf wechseln.«
Anna schaute wieder auf den Fernseher, nahm die Fernbedienung vom Tisch und begann zu zappen, bis sie am Ende wieder bei dem ersten Sender gelandet war.
Anna hatte Ameisen unter der Haut. Sie war zwischen Angst und Wut hin- und hergerissen. Ihr war speiübel. Die Angst schlug über ihr zusammen.
»Nein«, sagte sie und stand abrupt auf.
Lukas sah sie fragend an.
»Ich ertrage es nicht, mir diesen Scheiß anzuschauen. Ich geh spazieren.«
»Spazieren?«
»Frische Luft, Abwechslung.«
Sie ging an ihm vorbei in die Diele.
»Soll ich mitkommen?«, fragte Lukas.
»Ich würde gerne allein sein.«
Sie zog ihren Mantel an und zog diskret ihr Handy aus der Handtasche.
»Entschuldige«, sagte sie. »Aber meine Laune ist nicht die beste.«
46
Ich bin nicht an dem Auto interessiert.
Die SMS ging um fünf vor acht ein. Dieser dreiste Kerl schreckte vor nichts zurück. Glaubte er im Ernst, Anna würde ihre Familie verlassen, um mit ihm ein neues Leben zu beginnen? Das bildete er sich doch wohl nicht im Ernst ein? Nein, er amüsierte sich auf ihre Kosten. Er versuchte, ihr Angst zu machen. Er wollte sie dafür bestrafen, dass sie seine männliche Eitelkeit verletzt hatte.
Anna ging ans Meer runter und rief ihre Mutter an. Kathrine ließ sich wie immer nicht aus der Fassung bringen.
»Der will mich fertigmachen«, sagte Anna.
»Das weißt du nicht.«
»Du glaubst also ganz im Ernst, dass er da war, weil er ein neues Auto kaufen will?«
»Warum nicht? Wieso sollte er sonst auf die Anzeige geantwortet haben?«
»Weil Lukas seinen Namen daruntergeschrieben hat. Er googelt uns. Und jetzt hat er außerdem noch Hedda getroffen.«
»Immer mit der Ruhe, Liebling.«
»Mama, erzähl mir bitte nichts von Ruhe.«
»Okay, entschuldige. Ich meine nur, dass man nicht immer gleich vom Schlimmsten ausgehen soll. War er gewalttätig?«
»Nein.«
»Hat er dich bedroht?«
»Nein.«
Kathrine schwieg. Anna kannte dieses Verhalten aus ihrer Kindheit. Ihre Mutter hatte sie immer ihre eigenen Schlüsse ziehen lassen und ihr nie irgendwelche Worte in den Mund gelegt.
»Fahr zu ihm nach Hause«, sagte sie schließlich. »Rede mit ihm.«
»Ich traue ihm nicht über den Weg. Er macht mir Angst.«
»Es wird nicht besser werden, wenn du ihn immer wieder vor den Kopf stößt.«
47
»Ich habe versucht, dich auf dem Handy anzurufen«, sagte Lukas und sah sie vorwurfsvoll an. »Es war die ganze Zeit besetzt.«
Anna fror. Sie zog ihren Mantel aus und hängte ihn weg.
»Ich habe mit meiner Mutter gesprochen«, sagte sie.
»Worüber?«
Anna sah ihren Mann an.
»Wieso?«
Er zuckte übertrieben mit den Schultern.
»Bist du deswegen rausgegangen?«
»Hör schon auf. Ich bin rausgegangen, weil ich nicht jeden Abend hier sitzen und glotzen will.«
Sie schüttelte den Kopf und ging an ihm vorbei.
Erst beim Zubettgehen hatte er genügend Mut gesammelt, die direkte Frage zu stellen.
»Bist du mich leid?«
Anna hatte gerade eine Seite in dem Buch gelesen, das seit über einer Woche auf ihrem
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