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Bedrohung

Bedrohung

Titel: Bedrohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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einen solchen Verrat an den Werten verzeihen, die seiner Gemeinde heilig waren. Und das Schlimmste: Seine Kinder würden mit dem Wissen über die schrecklichen, schäbigen Sünden aufwachsen, die er begangen hatte.
    »Was soll ich für Sie tun?«, flüsterte er.
    »Eine ganz einfache Sache, die Sie weniger als eine Stunde in Anspruch nehmen wird.« Er zeigte auf einen schwarzen Rucksack, der auf dem Boden neben dem abgewetzten Sofa stand. »Sie bringen das hier zu einer Adresse, die im Adressbuch dieses Telefons gespeichert ist.« Er ließ ein BlackBerry in Akhtars Schoß fallen. »Es liegt nur zwanzig Minuten von hier. Höchstens eine halbe Stunde, falls Stau ist. Sie müssen vor acht da sein, ich weiß aber, dass Sie ein Navi in Ihrem Wagen haben; wenn Sie also sofort aufbrechen, werden Sie rechtzeitig da sein. Parken Sie direkt vor der Tür. Sobald Sie da sind, rufen Sie mich an. Verstanden?«
    Akhtar nickte. Er hatte keine Ahnung, woher der Mann so viel von ihm wusste, aber da er es wusste, würde er ihm gehorchen müssen. Dann würde er diesem Albtraum vielleicht unversehrt entkommen und in sein normales Leben zurückkehren können. Mika würde er vermissen – und wie, oh Gott –, aber letztlich wäre das ein geringer Preis.
    Der Maskierte senkte seine Waffe, trat einen Schritt zurück und bedeutete ihm aufzustehen.
    Akhtar steckte das BlackBerry ein, ohne auf die Adresse zu schauen, und warf sich den Rucksack über die Schulter. Das Gewicht verblüffte ihn, und er fragte sich, was wohl darin war. Anfangs hatte er gedacht, es handele sich um Drogen, aber dafür war er definitiv zu schwer.
    Der Maskierte schien seine Gedanken zu lesen.
    »Schauen Sie unter keinen – absolut keinen – Umständen in den Rucksack, Mr. Mohammed. Ganz egal, wie neugierig Sie sind. Sollten Sie es dennoch tun, werde ich es herausfinden. Dann ist unsere Vereinbarung hinfällig, und ich mache meine Drohung wahr.«
    Der Maskierte trat zur Seite und ließ Akhtar vorbei. Akhtar sah noch einmal Mika an, die ihm einen hoffnungsvollen Blick zuwarf.
    »Bitte tu, was er sagt«, flüsterte sie. »Er meint es ernst.«
    »Das werde ich«, erwiderte Akhtar, öffnete die Tür und ging hinaus.
    Nicht deinetwegen, dachte er. Meinetwegen.

2
    08:00
    Martha Crossman drückte die Tür ihres Lieblingscafés auf und ging hinein.
    Sofort wurde sie von einer Wolke starken Kaffeedufts, den Gesprächsfetzen der frühmorgendlichen, überwiegend aus Geschäftsleuten bestehenden Gästeschar und der stickigen Luft der Zentralheizung eingehüllt. Die Alltäglichkeit der Szenerie weckte eine befremdliche, heftige Eifersucht in ihr. Als Martha vor vier Tagen zuletzt hier gewesen war, schien ihr Leben normal und auf einem geraden Gleis zu verlaufen. Zwar war sie eher unglücklich – das war sie seit langer Zeit –, aber wenigstens hatte sie da noch nicht das Geheimnis belastet, das sie nun mit sich herumschleppte.
    Sie atmete tief durch. Und hätte sich am liebsten erbrochen. Sie wollte davonrennen, einen versteckten Winkel finden, wo niemand sie sehen und sie den geringen Inhalt ihres Magens auskotzen konnte. Wäre da nicht noch ihre Tochter, hätte sie schon längst Schluss gemacht. Ganz sicher. Denn was geschehen war, was sie herausgefunden hatte, war so furchtbar, dass es mit einem Schlag ihren Lebenswillen ausgelöscht hatte. Aber Lucy, ihre wunderbare, liebe Lucy, hielt sie am Leben.
    Lucy und die Gerechtigkeit, der zum Durchbruch verholfen werden musste.
    Der Mann, den sie treffen wollte, Philip Wright, war bereits da. Er saß hinten in einer Nische, direkt neben den silberglitzernden Espressomaschinen auf dem Tresen. Er hielt einen riesigen Becher Kaffee in der Hand und beobachtete die Tür. Sie hatte Fotos von ihm gesehen und erkannte ihn sofort. Und merkte, dass auch er sie sofort erkannt hatte. Er nickte ihr unmerklich zu. Sie rang sich ein Lächeln ab und ging zu ihm hin.
    »Mrs. Crossman, ich freue mich, dass Sie gekommen sind«, sagte er, erhob sich und reichte ihr die Hand. Er war groß und kräftig, wahrscheinlich Anfang sechzig.
    »Ich danke Ihnen, dass Sie sich Zeit nehmen, mit mir zu sprechen«, erwiderte sie, zog ihren Mantel aus und setzte sich ihm gegenüber.
    »Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«, fragte er. Er war sanft und höflich, und zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie, wie ihre Last leichter wurde.
    »Im Augenblick nicht, danke.«
    »Am Telefon haben Sie gesagt, es sei extrem dringend.«
    Sie sah sich im Café um, wollte

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