Bedrohung
ein Täter.
»Polizei!«, rief sie. »Stehen bleiben!«
Er ignorierte sie und rannte mit schlackernden Armen weiter. Rechts von ihr erhoben sich zwei öde Apartmentblöcke, die so klobig aussahen, als wären sie aus Legosteinen erbaut. Davor lungerte eine größere Gruppe von Schülern herum, die eifrig mit ihren Handys hantierten und Tina bei ihrer Verfolgungsjagd filmten. Noch fünfzehn Meter.
Akhtars Lungen fühlten sich an, als würden sie jeden Moment platzen. Seit er Hals über Kopf aus dem Café gestürmt war, rannte er ziellos umher. In seiner Panik war er an seinem eigenen Auto schon vorbeigelaufen, als die Bombe explodierte. Obwohl ihn die Druckwelle zu Fall gebracht hatte, war er, dummerweise ohne nachzudenken, wieder aufgesprungen und mit dröhnenden Ohren weitergerannt, ehe er seinen Fehler bemerkte. Zu spät: Auf der anderen Straßenseite waren zwei Polizisten aufgetaucht, die ihn verfolgten. Er hatte gedacht, er könnte ihnen entkommen, doch dann war da plötzlich auch noch diese Frau in Jeans und Sportschuhen hinter ihm erschienen, die ihn anbrüllte, stehen zu bleiben.
Er wusste nicht, wie lange er noch durchhalten würde. Ein Teil von ihm wollte sogar aufgeben, sich der Gnade der Behörden ausliefern. Doch das war unmöglich. Was die Öffentlichkeit anging, hatte er soeben ein gut besuchtes Café in die Luft gesprengt. Mit einer Bombe, die zahllose Unschuldige getötet hatte. Ihm blieb keine Wahl. Er musste fliehen. Er hatte nie eine Wahl gehabt.
Vor ihm erstreckte sich eine dicht befahrene Hauptstraße. Wenn es ihm gelang, sie zu überqueren, konnte er ein bisschen Distanz zwischen sich und die Frau bringen. Und es schaffen. Er biss die Zähne zusammen, zwang seine Beine zu einer letzten Anstrengung und stürzte sich blindlings in den vorbeirauschenden Verkehr. Links von ihm ertönte eine Hupe, ein schlingernder Wagen konnte gerade noch ausweichen, dann links von ihm noch eine Hupe, viel lauter und tiefer.
Er schaute sich um und sah den Lastwagen auf sich zuschießen, dessen Motor aufheulte, als der Fahrer versuchte, ihn zum Stehen zu bringen.
Vergeblich. Akhtar schaffte es noch, in Todesangst einen kurzen Schrei auszustoßen und seine Arme zu einer hilflosen Geste nach oben zu werfen, ehe ihn eine kreischende Wand aus Metall rammte und unter sich begrub.
Tina bekam alles ganz genau mit. Der schleudernde Wagen, der ausweichen wollte, der Mann, der unbeirrt weiterrannte und den Lastwagen nicht sah, der auf der anderen Fahrbahn heranpreschte. Der Aufprall, als der Lkw ihn erwischte, ihn wie eine Puppe über den Asphalt stieß und schließlich mit kreischenden Bremsen unter seinen Rädern begrub.
Das alles spielte sich binnen Sekundenbruchteilen ab, und Tina konnte nur schreckensstarr zusehen. Sie fragte sich, was sie hätte tun sollen, um ihn aufzuhalten, und wusste, dass sie einmal mehr ihren zahlreichen Feinden den Prügel geliefert hatte, mit dem sie auf sie eindreschen würden.
5
08:18
Der Maskierte schaute gerade Sky News, als die hübsche junge Moderatorin die Sportzusammenfassung unterbrach und mit ernster Miene verkündete, Berichten zufolge habe es in der Nähe der Londoner Victoria Station eine Explosion gegeben. Unmittelbar auf die Meldung folgten die ersten von einem Hubschrauber aus aufgenommenen Livebilder, die eine brennende Ladenfront zeigten, vor der sich viele Menschen befanden, entweder ganz offensichtlich verletzt oder einfach am Boden liegend. Notärzte und Sanitäter trafen bereits ein.
Er schaltete den Fernseher aus. Der Job war erledigt, aber seine Freude darüber hielt sich in Grenzen, obwohl der Auftrag mit hohen Risiken verbunden gewesen war und präzise Planungen erfordert hatte. Die Bombe war extrem zerstörerisch gewesen, zahlreiche Menschen waren ums Leben gekommen, niedergemäht, nur weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Der öffentliche Aufschrei würde gewaltig sein. Ganz wie es gewünscht worden war.
Mika saß auf dem zerschlissenen Sofa, ihr Kopf war zur Seite gekippt, auf ihrer Stirn zeichnete sich ein dunkles, blutiges Loch ab. Sie war ebenfalls zu den Kollateralschäden zu zählen, leider, denn sie hatte brav ihren Job erledigt, sogar unter Stress, doch sie wusste nun mal zu viel, als dass man sie hätte leben lassen können.
Mit dem Handy, das Akhtar Mohammeds Bombe gezündet hatte, rief er die Zentrale von BBC Radio London an. Offenbar war es dort noch etwas früh am Morgen, denn es dauerte eine volle Minute, ehe jemand abnahm.
Der
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