Bedrohung
er scherzte.
Tina lachte. »Dazu fehlte mir die Geduld, und ich ertrage es nicht, freundlich zu Typen zu sein, die es nicht verdienen.«
»Dann würden Sie es hier nicht lange machen. Dieser Laden ist ein Pulverfass, Miss Boyd. Und falls es hochgeht, kann keiner von uns auch nur das Geringste dagegen tun. Das geht mir jeden Tag durch den Kopf, wenn ich die Uniform anziehe.«
Hinter den Wänden vernahm Tina leise Geräusche sich schließender Türen und die abgehackten Rufe der Häftlinge. Die Luft war heiß und stickig, künstlich irgendwie, mit einem Hauch von Desinfektionsmitteln. Der Geruch erinnerte sie an ein Krankenhaus. Die Worte des Wärters machten sie nervös, obwohl sie sie anderswo schon hundert Mal gehört hatte. Aber es war stets verstörend, wenn jemand sagte, dass der Krieg gegen das Böse letztlich nicht zu gewinnen war.
»Das ganze Land ist ein Pulverfass, Officer Thomson. Die Unruhen vor zwei Jahren haben es gezeigt. Wir können nur unseren Job erledigen und versuchen, die Lunten rechtzeitig auszutreten.«
Sie beschloss, das Thema zu wechseln. »Diese Attacke von Eric Hughes auf Garrett – glauben Sie, dass das eine spontane Sache war?«
»Schwer zu sagen. Hughes ist ein übler Bursche. Beide übrigens. Aber bisher hatten sie nie Streit. Die Männer hier zählen zu den gefährlichsten des Landes und müssen unter unnatürlichen Bedingungen existieren, von daher ist ihr Verhalten schwer vorherzusagen.«
»Und was war mit der Kamera? Ich habe gehört, jemand habe daran herumgefummelt.«
»Sie war kaputt. Wir können nicht sagen, ob Absicht dahintersteckte.«
»Wissen Sie, wie lange sie schon kaputt war?«
»Schon aus Sicherheitsgründen sollten solche Schäden sofort behoben werden. Aber hier ist es auch nicht anders als sonst wo: zu wenig Mittel und zu wenig Personal. Vielleicht hat sie also schon eine ganze Weile nicht mehr funktioniert.«
»Könnten die Häftlinge herausgefunden haben, dass die Kamera kaputt war? Ich meine, das würde wenigstens erklären, warum Hughes Garrett dort angegriffen hat.«
»Keine Ahnung, beim besten Willen nicht«, erwiderte er, aber Tina hörte aus seiner Stimme etwas heraus, das sie annehmen ließ, er könnte lügen. Entschied sich, diesen Punkt später zu prüfen.
Sie blieben vor einer schweren Doppeltür stehen, die Thomson mithilfe seiner Karte öffnete. Auf der anderen Seite nickte er einem Wärter zu, der eine weitere Doppeltür öffnete. Nun befanden sie sich im Hochsicherheitstrakt. Hier war es um einiges ruhiger, doch dafür war der Geruch nach Desinfektionsmitteln stärker, so stark, dass Tina fast schwindelig wurde.
Während sie einen fensterlosen Tunnel hinunterschritten, der von Neonröhren erleuchtet wurde, wandte Thomson sich Tina zu.
»Passen Sie bei unserem Mr. Garrett bloß auf. Er mag ruhig und höflich erscheinen, aber ich würde ihm keine Sekunde über den Weg trauen.«
»Keine Sorge, Officer, ich kann auf mich aufpassen.«
»So sagt man, Miss Boyd.«
Sie blieben vor einer Tür stehen, vor der zwei weitere Wärter postiert waren.
»Er wird für die Dauer Ihrer Unterhaltung Handschellen tragen. Und falls er trotzdem etwas versucht, ist da noch ein Notrufknopf. Wenn Sie den drücken, sind wir sofort da.«
Tina lächelte. »Danke, aber ich bin sicher, er wird keine Dummheiten machen. Er weiß, dass für ihn hier kein Weg herausführt.«
Officer Thomson nickte. »Genau«, sagte er und öffnete die Tür. »Im Augenblick hat er nichts zu verlieren.«
13
10:58
William Garrett, der Mann, den die Medien als Fox kennengelernt hatten, war wahrscheinlich der gefährlichste der knapp einhunderttausend Häftlinge im Vereinigten Königreich.
Obwohl es bis zum Prozessbeginn noch drei Monate waren und man die Berichterstattung über seine mutmaßlichen Vergehen auf ein Minimum beschränkt hatte, um das weitere Vorgehen nicht zu gefährden, war die Anklage der Staatsanwaltschaft so wasserdicht wie nur irgend möglich. Er war am Tatort mit Spuren von Blut und Schießpulver am Körper festgenommen und von mehreren Leuten identifiziert worden. Er hatte ein Handy bei sich getragen, mit dem er kurz vor seiner Festnahme eine SMS an einen Mitverschwörer geschickt hatte, und es bestand kein Zweifel, dass er einer der Köpfe des Terror-Anschlags auf das Stanhope war. Augenzeugenberichte bestätigten, dass er Geiseln ohne jegliche Gefühlsregung erschossen hatte und bereit gewesen wäre, das Gebäude mitsamt den Hunderten von Geiseln darin in die
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