Bedrohung
Zeugen, die gesehen hatten, wie er mindestens fünf der Geiseln ermordet hatte. Der furchtbarste Terroranschlag der britischen Geschichte. Es bestand nicht der geringste Zweifel, dass er schuldig gesprochen würde. Selbst seine Anwälte mussten das eingestehen. Aber da der britische Steuerzahler sie pro Stunde bezahlte, wollten sie ihr Bestes geben. Trotzdem würden auch sie nicht verhindern können, dass man ihm lebenslänglich aufbrummte, mehrfach vermutlich, mit anschließender Sicherungsverwahrung. Er hatte absolut keine Chance, je wieder rauszukommen.
Und dennoch …
Fox’ Kopf schmerzte. Vor drei Tagen hatte er seinen ersten Vorgeschmack auf die Gewalt im Gefängnis erhalten, als ein anderer Häftling ihn mit einem selbst gebastelten Messer attackierte. Fox strich mit dem Finger über die Stelle am Schädel, wo ihn die Klinge erwischt hatte, und berührte jeden einzelnen der neunzehn Stiche. Sie fühlten sich empfindlich an, aber er ignorierte den Schmerz – die Wunde würde schnell verheilen. Wie auch die Schnitte in seiner rechten Hand und auf seinen beiden Unterarmen, mit denen er den Angriff abgeblockt hatte. Er hatte ziemlich heftig geblutet, aber nicht zum ersten Mal in seinem Leben. Schon bei den zahlreichen Gelegenheiten davor war er unbeeindruckt aus dem Scharmützel hervorgegangen.
Im Fernseher in der Ecke seiner Zelle liefen wie jeden Morgen die BBC Breakfast News. Trotz allem wollte er beim Frühstück über das, was in der Welt geschah, auf dem Laufenden bleiben, auch wenn ihn wenig davon interessierte. Doch heute schien etwas Ungewöhnliches passiert zu sein. Der geleckte Moderator hatte abrupt das Interview mit einem viertklassigen Schauspieler unterbrochen und verkündet, die BBC habe Berichte über ein Bombenattentat in einem Café der Innenstadt erhalten.
Fox stand von seiner Pritsche auf und drückte den Rufknopf an der Wand. Im Grunde war ein Gefängnis nichts anderes als ein billiges, schäbiges Hotel, und vielleicht fühlten sich genau deshalb viele Insassen hier so wohl.
Von draußen drangen die gewöhnlichen Morgengeräusche herein, das Scheppern der Türen, die Rufe, das Rasseln der Schlüssel, die gelegentlichen Lacher – Geräusche einer abgeschlossenen Inselwelt, aber immerhin einer Welt, und fast wünschte er, er wäre draußen und könnte daran teilhaben. Doch man hatte ihn auf Befehl des Direktors in Schutzhaft genommen, um weiteren Angriffen auf sein Leben vorzubeugen, und so schnell sollte sich daran nichts ändern.
»Guten Morgen, Mr. Garrett«, sagte Fenwick, einer der Wärter, mit einem fröhlichen Lächeln, gerade so, als würde er seinen Nachbarn begrüßen und nicht einen Terroristen, der sich bald wegen des schlimmsten Massakers der jüngeren britischen Geschichte verantworten musste. »Was kann ich für Sie tun?«
»Guten Morgen, Sir«, erwiderte Fox, presste sein Gesicht gegen die Lücke und nahm befriedigt das Zurückzucken seines Gegenübers zur Kenntnis.
»Sie wissen, dass meine Verhandlung in weniger als einem Monat beginnt?«
»Ich weiß.«
»Sie wissen auch, was man mir vorwirft?«
»Das weiß ich.«
»Und Sie wissen auch, dass ich den Ermittlern gegenüber kein Wort über die anderen Beteiligten verloren habe?«
»Worauf wollen Sie hinaus, Mr. Garrett? Sagen Sie es mir, denn offen gestanden bin ich ziemlich beschäftigt.«
Fox nickte. »Natürlich«, sagte er und starrte den Wärter ungerührt an. »Ich möchte kooperieren, Mr. Fenwick. Ich möchte der Polizei alles über die Leute hinter dem Anschlag auf das Stanhope sagen. Und ich möchte das jetzt sofort tun.«
»Sie kennen die Vorschriften, Mr. Garrett. Sie müssen einen offiziellen Antrag stellen.«
»Es eilt.«
»Wie so vieles.«
»Ich habe gerade im Fernsehen gesehen, dass in London ein weiterer Anschlag verübt wurde. Und ich weiß, dass dieselben Leute dahinterstecken.«
Das ließ Fenwick zögern. Er schaute Fox ungläubig an.
»Woher wollen Sie das wissen?«
Fox hielt seinem Blick stand.
»Ich weiß es. Und ich muss den Direktor sprechen. Sofort!«
Fenwick nickte. Offenbar wurde ihm bewusst, dass er Garretts Forderung nicht ignorieren konnte. »Ich werde ihn über Ihr Anliegen informieren.«
»Noch was«, sagte Fox und hielt einen Moment inne, um Fenwicks volle Aufmerksamkeit zu haben. »Es gibt nur eine Person, mit der ich reden will.«
7
08:50
Tina stand neben einer mit Graffiti verschmierten Wand auf der Straße und rauchte eine Zigarette. Ihre Hände zitterten noch
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