Bedrohung
unserer Welt, unsichtbar und ungeliebt.
Wenn man also ein Crackhaus betreibt und Rocks für 10 Pfund pro Hit verkauft, kann man leicht zwei, drei Riesen am Tag einnehmen. Natürlich hat man Kosten. Man muss das Koks und Natron kaufen, das Produkt herstellen, außerdem für Security sorgen, denn da draußen laufen genug Leute herum, die keine Sekunde zögern würden, dich auszurauben. Trotzdem steht am Ende eine Profitrate, die für die meisten legalen, mit der Rezession kämpfenden Unternehmen ein unerfüllbarer Traum bleiben wird. Und den Gewinn braucht man noch nicht mal zu versteuern.
Die meisten Crackhäuser werden von Dealern auf eigene Rechnung betrieben. Allerdings lassen die meisten die Häuser verkommen und erregen so die Aufmerksamkeit des Wohnungsamts und, wenn’s dumm läuft, auch die der Cops und müssen dann zusehen, wie ihre Häuser dichtgemacht werden. Aber als halbwegs intelligenter Unternehmer, der sein Geschäft diskret betreibt, kann man monatelang unentdeckt bleiben, manchmal sogar Jahre, und dabei ein Netzwerk aufbauen, mit dem man sich absichert. Wenn man dann auch noch das Koks, das man zur Crackherstellung benötigt, selbst importiert, kann man sogar richtig reich werden.
Nicholas Tyndall war so ein Mann. Als etablierter Gangster mit besten Kontakten zur Unterwelt und sogar zum Polizeiapparat betrieb er im Nordosten Londons elf Crackhäuser, die ihm angeblich mehr als zweihundert Riesen pro Woche einbrachten. Keines der Häuser wurde je dichtgemacht, denn Tyndalls Briefkastenfirmen kauften nicht nur sie, sondern auch die Häuser in der Nachbarschaft (meist zu extrem günstigen Konditionen) – und damit hielten sich die Beschwerden und das Interesse der Polizei in Grenzen. Wenn niemand ein Verbrechen anzeigt, so meinen viele von ihrer Aufklärungsrate besessene alte Hasen, dann heißt das auch, dass es nicht begangen wurde. Auf diese Weise waren alle glücklich: die Dealer, die Junkies, die braven Bürger und die Vertreter von Recht und Ordnung.
Eines jedoch bereitet jedem Crackunternehmer Kopfschmerzen: das Einsammeln der Einnahmen aus den Häusern. Dazu braucht man Männer, denen man trauen kann. Verlässliche Männer, die den Leuten, mit denen sie zu tun haben, eine Scheißangst einjagen. Einer dieser Männer war LeShawn Lambden. Ein Kerl wie ein Gebirge. Knapp zwei Meter groß und hundertzehn Kilo schwer, bepackt mit pulsierenden, von täglich drei Stunden Training erzählenden Muskeln und dem Gesicht eines Kampfstiers, in dem pechschwarze Augen glühten, die Normalbürger und Kriminelle gleichermaßen einschüchterten.
Alle paar Tage machte LeShawn mit seiner Truppe die Runde durch Tyndalls Crackhäuser und sammelte achtzig Prozent der Einnahmen ein. Die restlichen zwanzig Prozent durfte der Dealer, der das Haus kontrollierte, einsacken. Um das Risiko, von den Bullen überrascht oder, schlimmer noch, von Mitwissern in einen Hinterhalt gelockt zu werden, zu minimieren, variierte LeShawn die Tage, an denen er seine Runde machte, und die Reihenfolge, in der er die Häuser aufsuchte, nach einem zufälligen Muster. Außerdem benutzte er stets wechselnde Fahrzeuge. Auf der Straße eilte ihm der Ruf voraus, dass noch nie jemand versucht hatte, ihn zu berauben oder ihm auch nur etwas zu unterschlagen.
Das sollte sich nun ändern.
Der Job war bis ins Kleinste ausgetüftelt worden. LeShawn mochte sich alle Mühe gegeben haben, unberechenbar zu bleiben, aber am Ende war es seine Lederjacke, die ihn verriet. Ein knielanges Teil, das er immer trug, wenn er geschäftlich loszog, weil er darin cool und bedrohlich wirkte wie Arnie im ersten Terminator -Film. Es hatte keine Schwierigkeiten bereitet, einen GPS -Sender ins Futter zu nähen. Ein schneller, lautloser Einbruch in die Wohnung einer seiner Freundinnen, bei der er ein paar Nächte zuvor geschlafen hatte, und schon befanden sich gleich vier dieser Dinger in seiner Jacke – nur für den Fall, dass ein Akku den Geist aufgab. Die GPS -Sender waren mit einem Laptop verbunden, das bereits die Koordinaten der elf Crackhäuser enthielt. Sobald LeShawn innerhalb von fünfzehn Minuten zwei der Häuser aufsuchte, schrillte ein Alarm, und wir wussten, dass er sich höchstwahrscheinlich auf einer seiner Touren befand.
Und so hockte ich nun also in einer schmutzigen, mit Unrat übersäten Baulücke in South Tottenham auf dem Beifahrersitz eines Volvo C60, an dessen Steuer Cecil saß, der LeShawns Route auf seinem Handy verfolgte. Gerade war LeShawn
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