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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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September wollen wir heiraten, Hilde hat die Aussteuer zusammen. Obwohl, wenn es so weitergeht, mit der Inflation ... Hoffentlich bekommen wir die Wohnung, zwei Zimmer, Küche und sogar ein Klo.«
    Johannes nickte. Der Tournier und auch der Zinser hatten Werkswohnungen gebaut, die sie billig an ihre Arbeiter vermieteten. Das Elend war so groß, dass man im Gemeinderat sogar über die Einrichtung einer Notstandsküche diskutierte! Man gab sich sozial, die Herren hatten wohl Angst, dass die Verhältnisse eines schönen Tages kippen könnten, da war man schon bereit, etwas zu investieren.
    Unwillkürlich ballte Johannes die Fäuste. Er musste auf einmal daran denken, wie er damals mit den anderen Grunbacher Genossen im November 1918 einen Arbeiter- und Soldatenrat gegründet hatte: Sie waren zum Rathaus gezogen, er mittendrin, obwohl er immer noch sehr geschwächt gewesen war und Schmerzen in der Schulter gehabt hatte. Mitten in die Gemeinderatssitzung hinein waren sie geplatzt und hatten den Schultheiß aufgefordert, sie als vorgesetzte Behörde, als Vertretung der Grunbacher anzuerkennen. Der Schultheiß, ein kleiner, gedrungener Mann namens Zündel, hatte stotternd irgendetwas von Vollmachten erwidert, als plötzlich hinter ihnen, am langen Tisch, wo die Gemeinderäte saßen, sich eine schlanke, elegante Gestalt erhob. Der Herr Direktor Zinser hatte das Wort ergriffen. Er hatte sich über den grauen Bart gestrichen, der Oberlippe und Kinn zierte, und in der nachlässig herablassenden Art des reichen Mannes gemeint, man nehme die Gründung eines Arbeiter- und Soldatenrates in Grunbach zur Kenntnis – aber im Übrigen sei doch immer noch die Gemeindeordnung in Kraft und nach dieser verfüge der Gemeinderat weiterhin alleine über die dort festgelegten Rechte und Pflichten! Er bitte also die Herren, das Rathaus unverzüglich zu verlassen und den Gemeinderat nicht weiter in seiner Arbeit zu behindern. Ein solches Verhalten sei gesetzeswidrig und müsse geahndet werden!
    Dann hatte er sich wieder gesetzt und die an der Tür stehenden Männer belustigt betrachtet. Johannes hatte diesen Blick nicht vergessen. Es lag Geringschätzung darin, ja sogar Verachtung für diese Männer, die sich dann ratlos angeschaut hatten. Einfache Männer, Arbeiter, ein Feldwebel und ein Goldschmiedelehrling. Sie hatten kurz diskutiert – was konnte man machen? Sie waren anständige Leute, sie wollten nichts Gesetzeswidriges tun und Gewalt anwenden. Gegen den Herrn Zinser, die anderen, die man von Kindesbeinen kannte, undenkbar!
    Und so waren sie langsam wieder hinausgegangen, scheu und verlegen, hatten sich hinausgedrückt durch die Tür. Diese Demütigung würde er nie vergessen.
    Aber darüber konnte man mit Eugen nicht reden, der von der Politik nichts wissen wollte, dessen Gedanken allein um seine Hilde, eine bezahlbare Wohnung und ein bescheidenes, auskömmliches Leben kreisten. Johannes gratulierte ihm aufrichtig, drückte seine Freude darüber aus, dass der Hochzeit nun hoffentlich nichts mehr im Wege stehe.
    »Vielleicht kannst du mir auch bald Glück wünschen«, fügte er nach einem kurzen Moment des Zögerns hinzu.
    »Ist es also bei dir auch so weit?« Egon trocknete sich noch immer ab, er hatte Johannes den Rücken zugedreht. »Ich nehme an, es geht um Oberdorfers Marie?«
    »Um wen denn sonst?« Johannes war etwas verwundert. Dass er und Marie miteinander gingen, hatte sich doch in der Zwischenzeit in ganz Grunbach und Hofen herumgesprochen und Eugen wusste schon lange davon. Irgendetwas an seiner Reaktion machte ihn stutzig.
    Eugen hatte in der Zwischenzeit das Waschwasser zum Abort hinausgetragen und war mit der leeren Schüssel wiedergekommen. Er vermied es immer noch, Johannes anzusehen.
    »Und, wann ist es so weit?«
    »An ihrem Geburtstag, in vierzehn Tagen, will ich sie fragen. Wenn es nach mir geht, verloben wir uns noch in diesem Sommer. Wir müssen noch ein bisschen sparen, für Möbel und so weiter. Und eine Wohnung suchen, wie ihr. Aber im nächsten Jahr können wir an Heirat denken.«
    Eugen war mittlerweile in seinen besten Anzug geschlüpft und kämmte sich nun mit großer Sorgfalt die Haare.
    »Ja, dann viel Glück, Johannes.«
    Eine Weile herrschte Stille. Johannes zog sein Jackett und das verschwitzte Hemd aus und holte im Krug frisches Wasser, um sich nun ebenfalls zu waschen. Eugens Reaktion hatte ihn enttäuscht. Er hatte sich doch auch ehrlich mit ihm gefreut! Was war nur los mit Eugen? Noch vor einiger

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