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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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für ein Gegensatz zum Garten mit den »schönsten Blumen« und zur »kühlen Morgenluft mit Lerchengesang«.
    Die Verkäuferin ist fertig und überreicht Anna den stattlichen Strauß. Der Preis reißt ein ganz ordentliches Loch in ihren Geldbeutel, aber das ist ihr in diesem Moment egal. Die redselige Dame begleitet sie noch zur Tür, Anna versteht wieder nur die Hälfte. Immerhin kapiert sie, dass sie die Gretl grüßen soll und natürlich auch den »jungen Caspar«.
     
    Der Grunbacher Friedhof zieht sich an einem recht steilen Berghang hoch, gegenüber ist der Eiberg auszumachen und Anna überlegt, dass die Grunbacher, die hier liegen, eigentlich einen wunderbaren Blick hätten, wenn sie noch etwas sehen könnten. Und Johannes hätte sogar seinen geliebten Katzenbuckel vor Augen, zumindest ein kleines Fitzelchen oben auf der Ebene, die sich im wolkenlosen, blauen Frühsommerhimmel verliert.
    Gretl steigt an Fritz’ Arm schnaufend die steilen Stufen zu den ersten Gräberreihen hoch. Unterwegs kommt ihnen eine Frau mittleren Alters mit Gießkanne und Hacke entgegen, die sogleich eine Unterhaltung mit Fritz und Gretl beginnt. Wieder versteht Anna kaum etwas und so schlendert sie schon langsam los, bemerkt aber, dass von ihr die Rede ist, denn Fritz zeigt zu ihr herüber und sie spürt förmlich die interessierten Blicke der Frau im Rücken. Hoffentlich denken die Leute hier nicht, ich sei hochnäsig oder so etwas, aber diesen komischen Dialekt verstehe ich beim besten Willen nicht! Obwohl er eigentlich ganz gemütlich klingt, denkt sie und plötzlich wird ihr klar, dass Johannes doch genauso gesprochen hat und auch Marie und Anna, ihre Großmutter. Und natürlich Friedrich Weckerlin und all die anderen. Ihre Mutter hat lupenreines Hochdeutsch gesprochen und die Caspars und Gretl bemühen sich sehr. Sie versteht sie sehr gut, auch wenn sich bei Gretl manchmal das eine oder andere schwäbische Wort hineinstiehlt.
    Fritz zeigt ihr dann die drei Grabstellen und macht es dramaturgisch geschickt. Erst kommt das Familiengrab der Dederers mit einem riesigen, unbehauenen Granitblock, in den eine Reihe von Namen eingelassen ist. »Hier ruht Klara Elisabeth Dederer«, steht da und darunter folgt der Name »Louis Albrecht Dederer«, das sind Lisbeths Eltern. Anna ist einigermaßen erstaunt, dass hier auch Lisbeth und ihr Sohn begraben sind, rechts stehen nämlich die Namen »Elisabeth Luise Weckerlin, geborene Dederer« und »Louis-Friedrich Weckerlin« mit den entsprechenden Jahreszahlen eingemeißelt.
    »Sie wollte partout nicht, dass der junge Louis-Friedrich und sie selber in die Weckerlin-Grabstätte kommen«, erklärt Fritz auf ihre Nachfrage. »Am Schluss war da nur noch Hass.«
    Schräg gegenüber liegt das Weckerlin-Grab, und das ist wirklich prächtig. Schwarzer Marmor mit Goldinschrift, am Kopfende des mittleren Marmorblocks hockt ein trauernder Engel, der gedankenverloren sein Haupt neigt.
    Alle liegen sie da, die sie aus den Erzählungen kennt! Der Maurermeister Friedrich Gottlieb Weckerlin, seine Frau Christine Katharina und der kleine Wilhelm Gottlieb, zusammen mit seinem Holzpferdchen, das wie die anderen schon lange zu Staub zerfallen ist. In der Mitte prangt der Name »Friedrich Karl Weckerlin«, auf ihn scheint der Engel speziell zu blicken, und darunter ist »Emma Christine Löwenstein, geborene Weckerlin und in memoriam Siegfried Ephraim Löwenstein« aufgeführt. Auf einer nachträglich eingelassenen Marmortafel werden noch zwei Namen genannt, die Anna zuerst nichts sagen. Fritz erklärt, das seien seine Großeltern. »Sie sind vor einigen Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
    Aurelie Christine Kepler, geborene Löwenstein. Das ist also Christines Mutter, von der einmal kurz die Rede war, als ihr Christine erzählt hat, wie sehr sie damals der Verlust ihrer Eltern getroffen habe. »Und da war ich schon ein ganzes Stück älter als du und hab doch auch Richard und Fritz gehabt. Trauer muss man zulassen, mein Kind.« Aber das sagt sich leicht.
    Fritz’ Großvater, dieser Lothar Friedrich Kepler – noch ein Friedrich, denkt Anna, kein Wunder, dass der arme Fritz so heißt – war Architekt gewesen, er hatte das ehemalige Dederer-Kontor in ein Atelier umgebaut und von ihm hat der Schwiegersohn das Architekturbüro übernommen, das hat ihr Richard damals bei der Hausbesichtigung erzählt.
    Schließlich gehen sie hinüber zum dritten Grab. Das ist wesentlich bescheidener als die anderen, nur ein

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